Donnerstag, 5. Oktober 2017

Von Edmonton durch den Nordwesten - Am Rande der Rockies - Tagesziel Kinbasket Lake

R&G

Der nächste Morgen begrüßt uns mit herbstlicher Tristesse. Sobald man vor die Tür des Wohnmobils tritt, umschließt einen die klamme Kälte von Nebel im etwas düster wirkenden Wald. Der Nebel ist nicht so dicht, dass man nur wenige Meter weit sehen könnte, aber die Osprey Wasserfälle sind nur noch schemenhaft zu erkennen, dafür aber ihr Rauschen gut zu hören, weil der Wald ansonsten still ist. Kein Wind weht und kein Vogelgezwitscher ertönt im Umfeld unseres Stellplatzes. Es ist ein nebliger temporate Rainforest - ein gemäßigter Regenwald, wie er im Buche steht und wie er vor allem in den Fjorden der Westküste am Pazifik zu finden ist.

Doch bis zur Westflanke der Rockies finden sich immer wieder regionale Lagen mit sehr hohen Niederschlagsmengen, die einen solchen Wald entstehen lassen, so auch hier im Clearwater Valley.

Wir widmen uns zunächst dem Frühstück  und schauen uns die heutige Tagesetappe an. Da wir wieder nach Norden auf den Yellowhead Highway müssen, umfahren wir die Caribou Mountains und den Wells Gray Provinzpark im Westen. Ab Clearwater ist dies der Highway 5, der Southern Yellowhead Highway, der dem Lauf des Northern Thompson River folgt. Dabei werden wir im Osten die meiste Zeit bereits die Vorgebirge der Rocky Mountains im Sichtfeld haben. Die Strecke ist nicht unerheblich - 468 Kilometer bis zum Tagesziel am Kinbasket Lake. Dieser erscheint uns als ein geeigneter Ausgangspunkt für die Durchquerung der Rockies am darauffolgenden Tag.



Nach dem Frühstück schauen wir nochmal ans Ufer des Clearwater River, um vielleicht doch noch etwas interessantes aus dem Tierreich zu sehen. Der Nebel hat begonnen, sich aufzulösen - zumindest in Bodennähe. Die allerhöchsten Baumwipfel verschwinden noch immer in einer tief hängenden Wolkenschicht oder in einer Hochnebeldecke, je nach Betrachtungsweise.

Doch im Geäst der Bäume am anderen Ufer entdecken wir tatsächlich etwas. Es ist ein Weißkopfseeadler, der aus der Höhe eines Baumwipfels die Fluten des Clearwater River beobachtet. Ganz offensichtlich wartet er auf eine Chance, mit einem Schlag seiner Krallen einen Fisch zu greifen, der unvorsichtiger weise zu dicht unter der Wasseroberfläche schwimmt.

Doch der Weißkopfseeadler ist ein geduldiger Jäger. Nur wenn die Chancen wirklich gut stehen, den Fisch zu krallen, wird er seine Kräfte investieren.

Die Zeit des Lachszuges ist jedoch vorbei. Forellen sind hier zur Zeit eher wahrscheinlich, aber deutlich seltener zu sehen.

Deshalb sehen wir ihn leider nicht im Sturzflug Beute machen. Im Gegenteil er sieht uns mit seinem scharfen Adlerblick ganz gewiss und ist womöglich genervt von uns. Denn nach einer Weile des Wartens erhebt er sich in die Lüfte und fliegt flussabwärts davon.

Auch wir haben in diese Richtung zu fahren. Weitere kurze Stopps im Park leisten wir uns zwar, aber keine längeren Aufenthalte. Als wir später nochmal kurz am Clearwater River halten, sehen wir wieder einen Weißkopfseeadler auf einem Ast über dem Fluss. Ob es der von vorhin ist, vermögen wir nicht zu erkennen. Er ist leider auch für ein Foto etwas zu weit entfernt.

Doch uns fällt auf, dass das Wetter und somit die Lichtstimmung aufhellt. Scheinbar löst sich der Hochnebel auf und der Sonne gelingt es immer besser, die Dunstglocke zu durchdringen. Und so erreichen wir nach kurzer Fahrt wieder Clearwater. Auf dem Weg in den Wells Gray Park hatten wir auf einen Stopp am hiesigen Visitor Center aus Zeitgründen verzichtet. Jetzt halten wir hier.

So ein Halt an einer Visitor Information wird natürlich zu allererst für kostenloses WLAN genutzt. Ein paar E-Mails veschicken, ein paar Bilder hochladen, und schon ist mal eine Stunde rum. Infomaterial durchstöbern, die Ausstellung angucken und den Souvenirshop besuchen - schon ist eine weitere Stunde rum. Hier ist sogar noch ein Lädchen für regionales Kunsthandwerk im Gebäude, wo wir eine CD eines lokalen Countrymusikers mit indianischen Wurzeln kaufen. Die Ladenbesitzerin, eine Hippie-Oma beschenkt uns nach dem Deal mit Umarmungen.

 Als wir endlich zur Weiterfahrt bereit sind, ist es schon fast Mittag. Doch trotz der noch weiten Strecke, die vor uns liegt, hoffen wir auf ein schnelles Vorankommen. Großartige Stopps sind nicht mehr geplant und der Highway ist in gutem Zustand und führt durch dünn besiedeltes Gebiet.



Die malerische Landschaft können wir gut aus dem fahrenden Wohnmobil genießen, denn der geringe Verkehr erfordert keine allzu hohe Konzentration.

Nach einiger Zeit erreichen wir Blue River. In diesem kleinen Ort, von dem aus man bei gutem Wetter bereits den Mount Robson sehen kann, haben wir 2010 eine Nacht auf dem hiesigen Campground gestanden. Wir erinnern uns an einen aus Österreich stammenden Mitarbeiter des Campgrounds, der mit dem Rad zur Arbeit kam, was in Kanada selten zu sehen ist und an den Besitzer, der uns kostenloses Feuerholz beisteuerte. Doch heute lassen wir Blue River links liegen.

Bis zu unserem Tagesziel ist es noch ein gehöriges Stück Fahrt, doch bis dorthin kommen wir durch keine nennenswerten Ortschaften mehr hindurch. Das nächste Städtchen ist Valemount, jedoch biegen wir kurz vorher ab. Wir haben dann nur noch wenige Kilometer bis zum Nordende des Kinbasket Lake zu fahren.

Das weite Tal, in welchem der Kinbasket Lake liegt, ist ein 1600 Kilometer langer Grabenbruch längs der Rockies. Er heist Rocky Mountain Trench und beginnt bereits in Montana, wo er das Tal des Columbia River bildet. Er setzt sich fort entlang der Rockies nordwestwärts bis in den Yukon und ist somit länger, als British Columbia.

Der Kinbasket Lake erstreckt sich in diesem Teil des Rocky Mountain Trench über eine Länge von fast 200 Kilometern. Doch er ist in seiner jetzigen Form kein natürlich gebildeter See. Durch den Mica-Staudamm an seinem Abfluss in den Columbia River ist er bis 244 Meter hoch aufgestaut und eines der größten künstlichen Wasserreservoirs der Welt mit cirka 25 Milliarden Kubikmetern.

Wir fahren das letzte Stück wieder auf einer Forstwirtschaftsstraße und stoßen schließlich an das nördliche Ende des Sees. Hier wirkt er zwar durchaus eindrucksvoll, so umgeben von den erhabenen Gipfeln der Rockies, doch man kann sich kaum vorstellen, dass er sich mehr als hundert Kilometer bis zum Staudamm erstreckt und dann nochmals weitere hundert Kilometer bis zum Glacier Nationalpark bei Golden.

Wir fahren noch ein Stück parallel zum Westufer des Sees, um eine gute Stelle zum Campen zu finden. Heute wollen wir wild Campen und checken daher Waldwege zum Wasser. In einem Abschnitt, den die Holzwirtschaft wohl vor Jahren aufgeforstet hat, finden wir einen geeigneten Weg bis zum Seeufer und suchen uns eine geeignete Stelle zum Kampieren.

Etwas geschützt vom offenen See im Jungforst, aber doch mit dem Ufer in Schrittweite stellen wir uns mit dem Wohnmobil auf eine kleine Lichtung am Waldweg und inspizieren zunächst das Ufer.

Man kann nun gut erkennen, dass der See ein aufgestautes Reservoir ist, denn der niedrige Wasserstand lässt erkennen, wie hoch der Pegel mitunter sein kann. Das Ufer ist steinig, aber es gibt jede Menge Treibholz, welches sich gut als Feuerholz eignet. Also sammeln wir erstmal etwas davon und bringen es zum Camper.






Dort legen wir einen Feuerplatz an, und umfrieden die Feuerstelle mit einem Ring aus Steinen. Eine gute Absicherung des Feuers bei dieser trockenen Witterung ist wichtig, damit es hier im Wald nicht außer Kontrolle geraten kann.

 Auch andere witzige Dekorationen unserer Platzes mit diversen Treibholzstücken nehmen wir vor, wie eine kleine Bank zum sitzen oder ablegen von Utensilien. Danach machen wir noch einen ausgedehnten Strandspaziergang.

Dabei bewundern wir nicht nur den Fernblick, sondern finden auch diverse kleine Schätzchen, wie ungewöhnlich geformtes Treibholz oder ausgefallene Steine.

Auf diese Weise laufen wir einige hundert Meter weit am Strand entlang und gehen dann durch den Wald zum Camper zurück. Dabei entdecken wir weitere interessante Stellplätze in Ufernähe, aber wir haben uns ja bereits auf unserem jetzigen Platz eingerichtet und werden dort stehen bleiben.


Zurück an unserer Lichtung widmen wir uns dem leiblichen Wohl und machen uns ans Abendbrot. An einem so idyllischen Ort auf der geschützten Lichtung und bei mildem Wetter, werden wir natürlich das Abendmahl im Freien abhalten und stellen die Klappstühle am Feuer auf. Dann gibt es eine ganz entspannte Campermahlzeit.




Danach ist noch immer noch genügend Zeit und Tageslicht vorhanden, um am See den Abend zu genießen.

Die Ausblicke über den See sind zwar keine Bilder mit ständig wechselnden Motiven, aber doch von stetigem Wandel. Die langsam sinkende Sonne verändert langsam die Lichtverhältnisse und lässt die Schatten am Westufer höher kriechen, bis nur noch die Gipfel rötlich im Sonnenlicht glühen.

Einzig einige Wasservögel bringen Bewegung auf den See. Doch als die Dämmerung sich zunehmend darüber legt, ziehen wir uns in den Schutz unserer kleinen Lichtung ans Lagerfeuer zurück.



Das milde Wetter lässt uns da noch lange sitzen und auch das Feuer ist gut versorgt mit jeder Menge gesammeltem Treibholz zum Nachlegen.

Ein Flasche Rotwein und Knabberzeug lässt einen Vergleich mit einem Fernsehabend im heimischen Wohnzimmer zu, nur ist der Fernseher ein prasselnden Lagerfeuer und die Zimmerdecke ein zunehmend stärker mit Sternen erfüllter Himmel.


Unser Blick richtet sich immer wieder gen Norden und prüft, ob sich Nordlichter bemerkbar machen. Doch es bleibt ruhig am Himmel. Nur der im Osten aufgehende Vollmond erhellt zunehmend die Landschaft. Das wären perfekte Bedingungen für die Nachtfotografie, aber eine krönende Aurora ist nicht in Sicht.

Aber was nicht ist, könnte ja noch werden und schließlich ist die Nacht lang. Also bringen wir den Fotoapparat etwas geschützt am Ufer auf dem Stativ in Stellung und starten die Serienaufnahme.

Die Kamera arbeitet nun nahezu die ganze Nacht hindurch bis in die frühen Morgenstunden. Einen Kontrollgang nach Mitternacht machen wir, was an der Veränderung der Belichtung im Zeitraffer erkennbar ist (da wird die Aufnahme dunkler). Doch es bleibt bei einer Nacht ohne Nordlichter, auch wenn die Time-Lapse-Aufnahme (siehe unten) zumindest das Wandern des Mondes anhand der nächtlichen Baumschatten gut zur Geltung bringt.


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