Dienstag, 3. Oktober 2017

Von Edmonton durch den Nordwesten - durch die Cariboo Mountains zu den Canim Fällen und Mahood Lake

R&G

Diese Nacht war noch kälter, als die Vorangegangene. Da wir mitten im lichten Jungwald und nicht in der Nähe eines Sees standen, waren unter dem nächtlichen Sternenhimmel die Temperaturen auf minus 10 Grad gefallen. Wir haben die Nacht hindurch die Heizung laufen lassen und bekamen damit ausreichend Wärme in die Wohneinheit. Der wolkenlose Himmel am Morgen beschehrt uns aber auch wieder einen lupenreinen Sonnenaufgang, der den Reif in den Bäumen glitzern lässt.

Beim Aufsetzen des Kaffeewassers stellen wir fest, dass der Propangasdruck sehr schwach ist. Die erste Flasche ist scheinbar leer. Nach über zwei Wochen Fahrt und bei Nutzung von Herd und Heizung im Wohnmobil ist das in Ordnung. Dennoch heißt es jetzt: Umstellen auf die zweite Gasflasche, und das bedeutet, draußen am Fahrzeug das Gasflaschenfach zu öffnen und die enstprechenden Ventile umzustellen. Bei Frost eine kleine Herausforderung, nach welcher man im Wohnmobil erstmal die klammen Eisfinger wieder warmbekommen muss. Aber da das Gas wieder strömt, gibt es schon bald den heißen Kaffee.

Nach dem Frühstück ist auch schon die Aufbruchstimmung da, denn viel gibt es hier nicht mehr zu tun. Wenn auch diese Stelle so schön friedlich und abgeschieden ist, so ist es doch nur eine Schonung in einem Nutzforst und Waldspaziergänge in solcher Umgebung kann man auch in Deutschland jederzeit haben.

Also machen wir uns abfahrbereit und in Anbetracht der wundervollen Eisblumen auf der Frontscheibe tut es uns fast leid, diese nun auftauen zu müssen.



Wir sind schon bald auf dem Barkerville Highway und wenden und westwärts. Was wir heute vorhaben und was unser Tagesziel sein wird, steht so ziemlich genau fest.

Zuerst werden wir noch auf dem Barkerville Highway einen Zwischenstopp an der Cottonwood Farm einlegen. Dann werden wir nach erreichen des Cariboo Highway in Quesnel halten und uns um eine neue Flasche mit Propangas kümmern. Anschließend geht es auf dem Cariboo Highway südwärts - etwa bis 100 Mile House. Hier nun geht es ostwärts auf eine Range Road, die Canim-Hendrix-Lake Road, auf der wir an den westlichen Rand des Wells-Grey-Provinzparkes gelangen. Dort wollen wir die Wasserfälle Canim-Falls und Mahood-Falls besuchen, bevor wir auf dem Mahood Lake Campground die Tagesetappe abschließen.



Cottenwood erreichen wir schon bald. Die Farm ist ebenfalls ein Freiluftmuseum und ist nach der kanadischen Schwarzpappel benannt, welche im Umfeld des Farmlandes wächst und die wegen ihrer baumwollartigen Samen im Englischen Cottonwood, also "Baumwollgehölz" heißt.

Das Gelände ist gänzlich verlassen und der Besucherparkplatz ist leer. Wir sind die einzigen hier und haben die herbstlich verschlafene Farm für uns allein.

Da wir diese historische Stätte überhaupt nicht auf dem Zettel hatten und sie gestern rein zufällig auf dem Weg nach Barkerville im Vorbeifahren gesehen hatten, schauen wir uns die Schautafeln am Eingang genauer an.

Historisch gesehen ist Cottonwood keine Farm, sondern ein Road House. Es wurde 1864 gebaut, um entlang des Cariboo Wagon Trails eine Raststation zu haben, die letzte vor Barkerville.





Diese historische Vorläuferin moderner Raststätten konnte mit einem Hotel, einem Wirtshaus und einer Ausspanne für Lasttiere dienen. Sogar eine Telegraphenstation wurde in Cottonwood eingerichtet.

Dass Cottonwood den Eindruck einer Farm vermittelt, liegt wohl daran, dass es als Ausspanne die Futterversorgung der Tiere gewährleisten musste und daher Weideflächen angelegt wurden.

Somit sind auch die erforderlichen Nebengebäude entstanden, wie Scheune, Ställe und Schuppen für Wagengespanne.

 Was uns im Augenblick besonders fasziniert, ist das goldleuchtende herbstliche Ambiente. Das Bild der verlassenen Anlage ist einerseits geprägt von den Zeichen der Vergänglichkeit und andererseits von der Ruhe und milden Wärme eines für einstige Reisende ersehnten Zufluchtsortes auf ihren langen beschwehrlichen Reisen.

Und so schlendern wir zwischen den alten Blockhäusern durch raschelndes Laub und wenn wir ganz still stehen und lauschen, dann sind sogar die fallenden Blätter zu hören, wenn sie am Boden auftreffen.

Am Ende lassen wir auch die Drohne kurz kreisen. Das Ergebnis ist bereits im vorherigen Blogbeitrag zusammen mit dem Rundflug vom Vorabend verlinkt.

Bis Quesnel sind es nun nur noch 20 Minuten, die wir ohne Zwischenstopps zurücklegen.

Die Stadtgründung von Quesnel hängt ebenfalls mit dem Cariboo Goldrausch und der Errichtung der Cariboo Wagon Road zusammen. Doch der Ort wurde schon lange zuvor von den Carrier First Nation (Dakelh) bewohnt und während der Expedition von Simon Fraser 1808 erstmalig von Europäern besucht.

Foto: Internet - Die größte Goldwaschpfanne der Welt mit 5,5 m Höhe
Nach dem Abklingen des Goldrausches wurde Quesnel zu einem Zentrum der Holzindustrie und ist es heute noch. Im Zuge dessen steht hier eine Zellulosefabrik, die der Stadt ein für Kanada seltenes Bild einer Industriestadt mit rauchenden Schloten verpasst.

Foto: Internet - Quesnel Visitor Information
Beim Einfahren in die Stadt merken wir auch, dass die Schlote nicht nur sichtbar Rauch heraus blasen, sondern auch einen merklichen Gestank. Andererseits bedeutet diese Industrie Wohlstand für die Stadt und daher liegen die Beschäftigung und das Einkommen in Quesnel über dem Durchschnitt von British Columbia.

Doch unser Ziel in Quesnel ist eigentlich nur eines: nämlich die Befüllung der leeren Propangasflasche. Da der Wohnmobilvermieter (Fraserway RV) einen Flaschentausch nicht erlaubt (was ansonsten sogar im Walmart möglich wäre), sondern nur eine Befüllung des leeren Ballons, müssen wir eine Füllstation ausfindig machen. Dazu steuern wir die Visitor Information an, um uns zu erkundigen.

Hier wird uns tatsächlich zielführend geholfen. Die Dame fragt uns, in welche Richtung wir weiter fahren und telefoniert dann mit Tankstellen, die an unserer Ausfallstraße (Cariboo Highway südwärts) liegen. Eine Shell-Tankstelle bietet den Befüll-Service und die Dame beschreibt uns deren Lage auf der Karte.

Schließlich fragen wir noch, wie man Quesnel eigentlich richtig ausspricht. Gut, dass wir gefragt haben, denn es heist nicht "Kwesnel" und auch nicht "Kesnel", wie wir das die ganze Zeit sagten, sondern richtigweise wird es "Kinéll" ausgesprochen.

Da nun alles klar ist, fahren wir weiter und stoppen wenig später an der besagten Shell-Tankstelle. Hier klappt alles wie erwartet. Die Frau von der Tankstelle ist zwar etwas förmlich und wir müssen während des Befüllprozesses 5m Mindestabstand von der Propangasanlage einnehmen, bevor sie den Vorgang startet. Doch kurz darauf haben wir wieder zwei volle Flaschen und sind für eine eventuelle bevorstehende Kälte gewappnet.

Nun hält uns nichts mehr in Quesnel und wir fahren südwärts in Richtung unseres Tagesziels.

Bis zum nächsten Abzweig bei 100 Mile House sind es noch etwa 200 Kilometer, doch das ist aufgrund der wechselnden Landschaften keineswegs langweilig.

Die Hälfte der Strecke führt noch entlang des Fraser River doch ab Soda Creek gehts durch das Cariboo Hochland südostwärts. Ortsnamen wie "150 Mile House" oder "100 Mile House" weisen darauf hin, dass dort entlang des Cariboo Trails ebenfalls "Road Houses" standen, frühe Raststätten, ähnlich wie Cottenwood.

Schließlich ereichen wir bei 100 Mile House den Abzweig zum Canim Lake. Wir fahren nun auf einer Range Road, die anfänglich noch asphaltiert aber später nur noch geschottert ist. Schotterstraßen sind unser Element und gar kein Problem. Schlechte Beschilderung ist da schon schwieriger. Entlang des Canim Lakes ist der Wegverlauf noch klar, doch danach gibt es immer wieder Gabelungen, die völlig gleichberechtigt wirken und zugleich völlig unbeschildert sind.

Wir müssen unser Navi bemühen und in etwa das Tagesziel am Mahood Lake vorgeben. Dann scheint der Kurs erstmal wieder zu stimmen. Doch an jeder weiteren unbeschilderten Gabelung halten wir, um im Navi zu checken, wo wir den nun sind.

Als wir mal wieder an einer solchen Verzweigung stehen und unsere Position zu klären versuchen, kommt ein rostiger Pickup aus der Gegenrichtung und stoppt auf unserer Höhe. Ein Typ der uns an Steven Seagal erinnert mit Stirnband und dunklem längeren Haar, kurbelt das Fenster herunter und fragt: "Lost the way?" - habt ihr euch verfahren. "Vielleicht", antworten wir. Wir erklären, dass wir den Canim Wasserfall und den Mahood Wasserfall suchen. Oh, dass sei nicht mehr weit, erklärt er uns und weist uns die Richtung. Allerdings habe es schon lange nicht geregnet und die Wasserfälle führen kaum Wasser. "It's just like peeing", sagt er lachend und wünscht uns viel Glück - "Take care", wie man hier sagt.

Dann fahren wir jeder in seiner Richtung weiter und tatsächlich erreichen wir nach kurzer Zeit die Stelle, an der ein kurzer Wanderweg zu den beiden Wasserfällen führt.

"Just like peeing" - "Nur noch ein Pinkelstrahl", so sagte es der Hillbilly von vorhin. Für den Mahood Wasserfall sieht es sogar noch schlimmer aus. Er ist praktisch nicht mehr als Wasserfall zu erkennen - nur noch eine etwas nasse Felswand ist auf der gegenüber liegenden Seite des Canyons zu sehen.

Etwas besser ist es um die Canim Falls bestellt.

Die sind schon noch ein Wasserfall, wenn auch hier zu sehen ist, dass er in anderen Zeiten wesentlich gewaltiger sein dürfte.

Wir sind auf diesem Trail ganz allein. Das ist im Bärenland zuweilen etwas unheimlich und man muss sich dazu disziplinieren, das richtige Verhalten beizubehalten - vor allem laut zu sprechen, damit Bären nicht überrascht werden und sich zurückziehen können. Im Bereich eines rauschenden Wasserfalles ist dies natürlich erschwert, sodass Vorsicht geboten ist.

An den Canim Falls lassen wir wieder die Drohne aufsteigen. Gegen Ende des Clips kann man noch einige Fernsichten aus der Luft sehen, wo deutlich wird, wie abgeschieden diese Landschaft ist.

Leider ist uns mit diesem und auch dem nächsten Clip am Deception Wasserfall ein Malheur unterlaufen. Nach dem letzten Auslesen der SD-Karte vergaßen wir, diese wieder einzusetzen, sodass die Aufnahme nicht in 4K oder FullHD erfolgte, sondern nur als Kontrollaufzeichnung auf der Fernbedienung in geringer Auflösung von 720p. Merkwürdig, dass die Drohne hierfür keine Warnung ausgibt, aber wir haben wieder was gelernt.



Damit wäre eigentlich unser Tagesprogramm absolviert und wir wollen wie geplant den Mahood Lake Campground ansteuern. Auf dem Weg dorthin werden wir allerdings aufmerksam auf einen weiteren Wasserfall, den wir nicht im Programm hatten, die Deception Falls.

Wir entschließen uns, zuerst den Mahood Campground zu begutachten, um zu sehen, woran wir mit ihm sind, und dann zu entscheiden, ob wir trotz fortgeschrittener Stunde nochmal zu den Deception Falls fahren.

Der Campground selbst ist geschlossen, hat aber eine interessante Option für Besucher außerhalb der Saison. Während die Hauptschleife des Platzes mit weiltäufigem Strand nicht zugänglich ist, da eine verschlossene Schranke den Weg versperrt, kann man vier abseits gelegene Stellplätze und den Bootslaunch ungehindert passieren. Das gefällt uns zwar ganz gut und die vier Stellplätze sind auch alle frei, doch wir werden wohl mit dem Wissen um diese Rückfallposition nun noch die Deception Falls erkunden. Zunächst fahren wir noch den Weg zum Bootslaunch hinunter bis ans Wasser.


Hier hat sich ein zum Reisemobil umgebauter "Magic Bus" wohl für längere Zeit eingerichtet.

Die Besitzer haben diversen Hausrat um den Bus herum liegen. Man sieht auch ein Stromaggregat und ein Solarpanel und jede Menge Kisten und Eimer. Doch es scheint keiner zuhause zu sein. Nur ein Haustier zeigt sich hinter der Frontscheibe des Busses, ein Kätzchen.

Vom Bootslaunch aus ist die Badebucht des geschlossenen Teils vom Campground zu sehen, die bereits im Schatten der Bäume liegt.


Also fahren wir noch mal los zu den Deception Falls. Das ist nicht mehr sehr weit, etwa 6 Kilometer nordwärts in Ufernähe des Mahood Lakes entlang.

Nach zwei Kilometern erreichen wir eine Brücke über den Canim River, wo wir einen Fliegenfischer in Wathose im Fluss stehen sehen, den Pickup am Straßenrand geparkt.

Bis hierher war der Weg noch ganz passabel, aber hinter der Brücke wird er richtig übel. Vier Kilometer noch bis zum Ziel und es geht über ausgewaschenen Schotter, der teilweise spitzes Felsgestein freigibt, weiter. Gegenverkehr darf jetzt nicht kommen, denn der Weg ist gerade mal so breit, wie unser Camper, von Ästen, die in den Fahrweg hinein wuchern, ganz abgesehen. Hauptsache, am Ende des Weges gibt es eine Wendemöglichkeit, denken wir.
Seht ihr die Augen?

Wir haben Glück. Es kommt uns niemand entgegen und am Ende des Weges besteht die Chance, zu wenden, wenn dies auch erst nach mehrmaligen Vor- und Zurücksetzen gelingt. Doch es ist das erste, was wir tun, bevor wir uns auf den kurzen Wanderweg begeben - alte Gangsterweisheit: Den Wagen immer in Fluchtrichtung parken.

Andere Fahrzeuge sind hier nicht. Wir sind also allein und begeben uns auf den kurzen Wanderweg. Alles was an den Canim Falls in Bezug auf Bären galt, gilt hier umso mehr. Der Ort ist noch abgeschiedener, der Wald wirkt noch düsterer, weil die Sonne schon sehr tief steht und der Trail ist nur ein Trampelpfad. Dennoch wandern wir mutig los und reden laut daher, teilweise wirres Zeug oder trällern auch mal "Das Wandern ist des Müllers Lust". Nach einem knappen Kilometer erreichen wir den Wasserfall und dokumentieren ihn mit der Drohne.



Auch hier haben wir das Problem mit der nicht eingelegten SD-Karte noch nicht bemerkt und haben nur eine Auflösung von 720p zu bieten. Wie tief die Sonne bereits steht, sieht man daran, dass nur noch einzelne hohe Wipfel von Sonnenstrahlen erreicht werden. Wenn wir nicht noch von der Dämmerung im Wald überrascht werden wollen, sollten wir langsam zurück gehen.


Also werfen wir noch einen letzten Blick auf die Deception Falls und wandern zügigen Schrittes und abermals Wanderlieder intonierend zurück zum Wohnmobil.

Die Überlegung, gleich hier am Trailhead über Nacht zu stehen, verwerfen wir allerdings, denn hier stünden wir mitten auf einem Waldweg ohne jegliche Fernsicht. Also fahren wir wir auf dem holprigen Weg zurück zum Mahood Lake Campground und erreichen ihn bereits in der Dämmerung.

Noch fallen Sonnenstrahlen auf die Berge hinter dem Mahood Lake, doch in wenigen Minuten werden sie vom Erdschatten verschluckt worden sein, nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist.


Alle vier zugänglichen Stellplätze sind noch frei und wir suchen uns die Fläche mit dem besten Blick zum Nordhimmel aus. Auch ein Feuerchen im Feuerpit entfachen wir umgehend, um draußen noch etwas auf den Himmel zu schauen und auf den Einbruch der Nacht zu warten.

Nun treten schon die Sterne aus der Dunkelheit des nächtlichen Firmaments hervor und wir identifizieren den großen Wagen. Er dient als Orientierung für die Richtung, in der wir zuerst mit Nordlichtern rechnen würden.

Nach einer geraumen Weile am Lagerfeuer geben wir auf. Auch heute keine Nordlichter, müssen wir uns eingestehen und ziehen uns schließlich in den Camper zurück. In Erwartung einer abermals sehr kalten Nacht ist unsere Schlafbekleidung entsprechend angepasst.

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