Montag, 2. Oktober 2017

Von Edmonton durch den Nordwesten - Barkerville und der Cariboo-Goldrausch

Etappenziel Barkerville
R&G

Die Nacht war klar und kalt und Nordlichter waren wieder Fehlanzeige. Trotz einer gleißenden Morgensonne ist es schneidend kalt. Gräser, Zweige und auch die Picknickbank sind von Reif überzogen. Trotzdem ist es wunderbar, sich die Beine in dieser morgentlichen Stille zu vertreten und dabei die Landschaft ringsumher zu bewundern. Der eine oder andere Schnappschuss entsteht dabei.

Natürlich reicht dieser leichte Nachtfrost noch lange nicht, um das noch relativ warme Wasser des Sees mit Eis zu überziehen und die immer höher über den Horizont steigende Sonne verleiht ihren Strahlen immer mehr Kraft, um diesen winterlichen Vorboten zurückzudrängen. Doch die nächtliche Frostbotschaft kündigt den Winter an, der ganz gewiss in den nächten Wochen noch machtvoller über das Land ziehen wird.

Doch uns treibt selbst dieser eigentlich noch harmlose Frostmorgen trotz Faserpelz und Pudelmütze nach einiger Zeit wieder ins warme Wohnmobil zurück auf eine Tasse heißen Kaffee und Frühstück.

Eigentlich ein Ort zum Verweilen, aber wenn schon mal ein Plan gefasst und ein Ziel gesetzt ist, so ist man rastlos. Und sobald das Frühstück vorbei ist, das Geschirr abgespühlt und die Betten aufgeschüttelt sind, zieht es einen weiter.

Die Sonne lässt bereits den Reif dahinschmelzen, doch bei unserer Frontscheibe müssen wir nachhelfen. Und da es bei dem großen Fullsize-Pickup schwierig ist zu kratzen - man muss dazu auf die Vorderräder steigen und sich am Spielelholm festhalten, um überall hinzukommen - lassen wir Motor und Gebläse diesen Job erledigen. Ganz klar, das Auto ist für solches Klima gebaut, der V8-Motor ist schon nach einer Minute in der Lage, der Frontscheibe warme Luft zuzuführen und nebenbei: Die Sitzheizung ist schon nach 5 Sekunden voll da.


Unser Tagesziel heute ist Barkerville, ein Zentrum des Cariboo-Goldrausches und heute ein großes Freiluftmuseum mit einzigartigem Wildwest-Flair - dazu später mehr.

Der Weg dorthin führt über Prince George, bis dahin zunächst auf dem Yellowhead Highway. Prince George ist Provinzhauptstadt und nördlichste Universitätsstadt in British Columbia. Wir werden die Stadt aber nur durchfahren und gegebenenfalls einen Einkaufsstopp einlegen. Von Prince George aus geht es südwärts auf dem Cariboo Highway (Hwy 97) weiter. In der Nähe von Quesnel zweigen wir nochmals ab. Es geht dann nach Osten auf den Barkerville Highway (26).

Der Tourplan der Etappe (siehe unten) zeigt auch Varianten auf, die zum einen über Fort Saint James und zum anderen westlich des Cariboo Highway über Land führen, doch die fahren wir nicht. Denn wollte man diese Varianten wirklich genießen, so bräuchte man mehr, als einen Tag.



Zunächst gilt es aber, den Weg zurück zum Yellowhead Highway bei Fort Fraser zu fahren und der war ja schon auf dem Hinweg herausfordernd. Doch es hat ja nicht geregnet und der Zustand der Forststraßen ist den Umständen entsprechend gut. Eigentlich ist nur die Gabelung des Anschlussweges zur Campsite mit dem Forstweg schwierig, denn dort geht es eine Böschung hinauf und dann im spitzen Winkel auf die Forststraße. Doch das klappt.

Alles weitere ist zwar viel Gerumpel und Staub, aber ansonsten problemlos.

Allerdings gibt es in dem Gewirr von Forststraßen keine offiziellen Wegweiser, sodass man sich an scheinbar selbstgebastelten Schildern orientiert. Doch wir wissen ja noch einigermaßen, wie wir gestern hergekommen sind und erreichen schließlich den Yellowhead Highway.

Von Fort Fraser aus sind es bis Prince George noch cirka 150 Kilometer und wir fahren die Strecke ohne größere Pausen durch waldige Berglandschaften, die hier nicht mehr so schroff sind, wie im Westen. Es ist das Nechako-Plateau ein Teil des Interior-Plateaus, welches uns bis Quesnel begleiten wird.

Wie geplant, tätigen wir in Prince George einen Großeinkauf und gönnen uns ein Eis am Stiel, denn es ist wieder erstaunlich warm geworden zur Mittagszeit. Auch der Verkehr in Prince George überrascht uns, denn eigentlich ist die Stadt mit etwa 72.000 Einwohnern auch nicht gerade riesig. Aber an der Kreuzung des Yellowhead Highways und des Cariboo Highways ist sie natürlich ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt.

Nachdem wir uns durch den Verkehr hindurch zum Cariboo Highway durchgekämpft haben, folgen wir diesem südwärts und somit auch dem Tal des Fraser Rivers.

Der Fraser River ist für British Columbia von herausragenden Bedeutung. Er ist der größte Fluss, der von der Quelle bis zu seiner Mündung in Vancouver auf dem Gebiet dieser Provinz liegt. Er ist auch eine Hauptverkehrsader im Cariboo Goldrausch gewesen, über den wir gleich noch mehr berichten werden.

Doch zunächst sind wir auf dem Weg nach Süden und spüren eine deutlich höhere Verkehrsdichte. Kein Wunder, denn in dieser Richtung liegen die meisten großen Städte British Columbias einschließlich der Millionenmetropole Vancouver. Doch diese ist nicht unser Ziel und daher biegen wir kurz vor Quesnel nach Osten ab.

Der Barkerville Highway (26), dem wir nun folgen, führt vom Cariboo Plateau hinein in die Cariboo Mountains, wo um 1859 Gold gefunden wurde.

Diese Straße, auf der wir nun unterwegs sind, enspricht so ziemlich genau dem letzten und beschwehrlichsten Teil der Reise, den die Goldsucher damals nahmen. Denn hier war das relativ "bequeme" Reisen auf dem Fraser River oder der Cariboo Road vorbei und sie mussten sich durch die wilden Täler der Cariboo Mountains nach Barkerville durchschlagen.

Da haben wir es deutlich einfacher. Dennoch erreichen wir Barkerville erst am späten Nachmittag.



Eigentlich sollten wir uns über den geringen Andrang freuen, den wir sind so ziemlich die einzigen hier und die Stadt offenbart sich tatsächlich als Geisterstadt. Doch wir erkennen auch gleich die Schattenseite der Nachsaison, denn es gibt keinen Schaubetreib, für den Barkerville berühmt ist.

In der Saison leben und arbeiten hier nämlich - ähnlich den Mittelaltermärkten in Deutschland - Enthusiasten, die als Schmied, Goldgräber, Wirt, Kaufmann oder Barbier das damalige Leben nachstellen.

Im Eingangsbereich an einem Verwaltungsgebäude treffen wir auf eine Angestellte, die wir um Erlaubnis für einen Drohnenflug bitten. Doch leider werden wir zum Opfer der Bürokratie, denn sie erklärt uns, dass Drohnengenehmigungen zwar möglich seien, die Anträge jedoch längerfristig vorher einzusenden sind. Bedauerlich, aber wir werden nun aus der Not eine Tugend machen und das Flair einer echten Geisterstadt ganz entschleunigt genießen. Der nachfolgende Clip vom offiziellen Youtube-Kanal des Museumsdorfes zeigt einige Impressionen des "belebten" Barkerville:



Der Spaziergang dauert ziemlich lange, den die Anlage ist sehr weitläufig. Barkerville war das Zentrum des Goldrausches in den Cariboo Mountains und wuchs in dieser Zeit zu einem stattlichen Westernstädtchen heran.

In relativ kurzer Zeit wurde aus einer chaotischen Zeltstadt eine geordnete Siedlung von Holzhäusern die bald um diverse Dienstleistungseinrichtungen ergänzt wurde, wie anglikanische Kirche, General Store, Barbier, Arzt, Hotel, Saloon und sogar ein Vereinshaus der Freimaurerloge.

Ganz abgesehen von diesen Diensten gab es die überlebensnotwendigen Gewerke, wie Schmied, Tischler, Sägewerk, Ausspanne, Fuhrunternehmen und natürlich die Goldwaschanlagen der Claims. Die größeren Unternehmen nutzten bereits die Methode des Abtragens von Schürfmaterial mittels Hochdruckwasserstrahl, was in einer original aufgebauten Schauanlage ebenfalls zu sehen ist.

Der Cariboo Goldrausch ist zwar weniger present in Literatur und Film als der spätere Klondike Goldrausch, der vor allem durch Jack London den Einzug in die Weltliteratur gefunden hat. Aber er war eine Blaupause für alle späteren Einreisewellen, denn die kanadischen Behörden durchliefen hier eine Lernkurve. Das Chaos und die Gesetzlosigkeit, sowie Konflikte unter den Goldsuchern wie auch Zwischenfälle mit den in der Gegend lebenden Indianern waren im Cariboo Goldrausch viel ausgeprägter, als später am Yukon, wo die Kanadier bereits viel stärker die Regeln vorgaben.



Dennoch war der Anteil an US-Amerikanern geringer, als später am Klondike und es waren mehr direkte Einwanderer aus Europa, die hier ankamen, denn in den USA tobte gerade der Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten und die jungen US-Amerikaner waren nicht abkömmlich.

Einige Impressionen aus Barkerville zeichnen ein Bild welches uns mitunter heute kurios vorkommen mag. So preist Dr. Jones ein "schmerzloses Zähneziehen" an, was wohl zu dieser Zeit eine Neuheit war und der Preis für das Ziehen oder mit Gold füllen ist der Gleiche, nämlich 5$.

Die vielen Exponate in Barkerville sind nicht immer original von diesem Ort, aber sie sind generell historische Originale. Weil in den Jahren des Verfalles als Geisterstadt und als Folge eines Brandes viele Gebäude nicht mehr restauriert werden konnten, hat man einzelne Häuser aus dieser Epoche aus anderen Gegenden des Landes hierher gebracht und aufgebaut und somit das Flair des wilden Westens wiedererweckt.

Es gibt sogar am Ende des Ortes ein kleines Chinatown. Dieses Chinesenviertel hat es in Barkerville in dieser Form tatsächlich gegeben, was auf einer separaten Infotafel erläutert ist. Wegen der aggressiven Diskriminierung von Asiaten haben die Chinesen nie neue Claims abgesteckt, sondern immer nur aufgegebene alte Claims weiter ausgebeutet, also "gebraucht" statt "neu".


Wir haben uns mittlerweile so richtig müde geschlendert und laufen entlang eines Schau-Claims an der Bergflanke entlang, an einer Goldwaschrinne in Form eines hölzernen Aquäduktes zurück zum Ausgang. Die Sonne steht tief und wir wollen uns so langsam um unsere Übernachtung kümmern. Also begeben wir zurück zum Besucherparkplatz, wo unser Camper einsam und allein rumsteht.


Ein kommunaler Campground an der Zufahrt zum Museumsdorf hat geschlossen. Ein weiterer beim Barkerville Flugplatz ebenfalls. Es gibt noch zwei andere Campgrounds, die aber noch 20 Kilometer entfernt an irgendwelchen Range Roads liegen. Die Chance ist hoch, das wir umsonst dorthin fahren würden.

Deshalb entschließen wir uns, auf dem Barkerville Highway zurück zu fahren und bei nächster Gelegenheit in einem Waldweg zu verschwinden. Die Erfahrung der letzten Tage diesbezüglich war recht gut und wir sehen dieser Art der Übernachtung positiv entgegen.

Schon kurz hinter Wells, dem nächsten Ort bei Barkerville ergibt sich diese Gelegenheit. Wir sehen eine Schotterstraße rechts abgehen, die weder gesperrt ist, noch eine Privatzufahrt zu irgend einer Ranch zu sein scheint.


Wir biegen somit ab und erkennen schon bald, dass auch hier forstwirtschaftlich genutzter Wald ist. Regelmäßig gehen Schneisen und Rückgassen ab und man erkennt an weitläufigen Schonungen die wieder aufgeforsteten Flächen. Um ein wenig mehr Fernblick zu haben, fahren wir in einen Weg, der durch eine solche, recht weitläufige Fläche mit jungen Bäumen führt.

An einer Stelle, wo dieser Weg etwas verbreitert ist, bleiben wir einfach stehen und richten uns für den Abend ein. Die Monokulturforste sind zwar nicht so schön, wie ein natürlicher Wald, aber es ist genau das, was wir in Deutschland meistens unter Wald verstehen und es ist OK. Kein zivilisatorischer Lärm ringsum - es herrscht himmlische Ruhe. Und trockenes Holz liegt genügend herum als Hinterlassenschaft vom Holzrücken durch die Forstfahrzeuge.

Daher gibt es noch ein kurzes Feuerchen und zuvor einen Drohnenflug über unserem einsamen Stellplatz, bevor wir den Abend ausklingen lassen. In der zweiten Hälfte des Drohnenvideos sieht man die historische Farm Cottonwood, bei der wir morgen auf dem Rückweg Halt machen werden, doch das ist eine andere Geschichte.



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