R&G
Der Johnston Canyon Campground liegt nicht allzu weit entfernt vom Eingang in die gleichnamige Schlucht, nur auf der anderen Straßenseite des Parkway 1a. Da wir aber die nächste Nacht am Two-Jack-Lake verbringen wollen, verlassen wir den Campingplatz und fahren zum Parkplatz am Beginn des Canyon-Wanderweges.
Dieser Parkplatz ist nicht sehr groß und auch schon fast voll. Wir finden gerade noch eine freie Lücke und nehmen zur Kenntnis, dass gemessen an dem Andrang dies heute keine einsame Wanderung wird. Auf dem Parkplatz herrscht emsiges Treiben. Touristen rüsten sich zur Wanderung, sehen an der Infotafel oder suchen nochmal die Örtlichkeiten vor dem Marsch auf. Es sind wieder beide Kategorien vertreten, die echten Wanderer mit entsprechend gutem Schuhwerk und Wandergepäck, aber auch die Spaziergänger, die auf einem echten Bergwanderweg Probleme kriegen könnten.
Mit dem Strom der Wanderer begeben wir uns zum Trailhead, wo es das Johnston Canyon Resort und sogar eine Art Ausflugsgaststätte gibt. Nach dem überqueren einer Fußgängerbrücke über den Johnston Creek beginnt der Weg entlang des Flüsschen, welcher hier gerade den tiefen felsigen Einschnitt des Canyons verlässt. Ein alberner Aufsteller in Form eines Schwarzbären lächelt den Wanderern mit einem Gesichtsausdruck, wie Yogi-Bär entgegen. Eine weitere Infotafel erklärt den Canyon-Wanderweg nochmal detailliert. Damit betreten wir den Johnston Canyon.
Der Weg ist als Lehrpfad angelegt. Hier kann man tatsächlich auch als Spaziergänger ungefährdet langgehen. Der Weg ist eben und ausreichend breit und wo nötig - das ist es fast immer - sind Geländer errichtet, um den Abgrund zur Schlucht zu sichern. So wandern wir los und gehen dabei ohne Eile vor. An den Schautafeln, welche von Zeit zu Zeit mit Erklärungen aufwarten, halten wir meistens und lesen Wissenswertes.
Wir passieren einige Abschnitte, wo der Weg zwischen senkrecht abfallenden Felswänden dem Lauf des Wildwassers folgt. An der Sohle der Schlucht ist kein Platz für beide, denn das Wasser bedeckt strudelnd und schäumend den Boden in der gesamten Breite zwischen den Felsen. Hier ist den Weg als Laufsteg an einer Seite der Felswand befestigt. In solchen Abschnitten ist der Weg natürlich viel schmaler und es erfordert einen Marsch in Gänsereihe. Bei Gegenverkehr wird es entsprechend noch enger.
Neben den bizarren Windungen und Felsen der Schlucht und dem sprudelnden Wildwasserschnellen in der Sohle hat der Canyon zwei Höhepunkte. Es sind, wer hätte etwas anderes erwartet, Wasserfälle. Den ersten Wasserfall, die Lower Falls erreichen wir schon bald. Es ist ein typischer Schlüsselloch-Wasserfall. Er fließt nicht einfach über eine Schwelle und stürzt nach unten, sondern er tritt aus einer Verengung des Canyons wie aus einem Spalt und ergießt sich in einen fast höhlenartigen von Felswänden umgebenen Schacht, wo sich ein schäumendes Strudelbecken gebildet hat. Dem entsprechend gibt es nur sehr eingeschränkte Perspektiven, aus denen man den Wasserfall gut sehen kann.
Einer dieser Standorte befindet sich auf einer höheren Stelle des Weges, dort wo er bereits weiter aufwärts zum Oberlauf führt. Der andere etwas verrückte Aussichtspunkt befindet sich an der anderen Flanke der Schlucht. Man muss dazu eine Brücke überqueren. Dann führt ein niedriger schmaler Tunnel durch den Fels. Dort wo er endet, blickt man direkt in den Schacht über dem Strudelbecken und sieht das herabstürzende Wasser in wenigen Metern Entfernung.
In so unmittelbarer Nähe des Sturzbaches ist man sofort der sprühenden Gischt ausgesetzt. Vor allem die Linsen der Objektive sind sofort vollgespritzt und machen die Fototechnik zeitweilig unbrauchbar. Aber auch Haare, Gesicht und Kleidung werden mit jeder Sekunde, die man hier ausharrt immer nässer. Also halten wir uns an diesem zugegeben einzigartigen Aussichtspunkt nur zwei bis drei Minuten auf und versuchen dann vorbei an den nachströmenden Wanderern uns wieder durch den Tunnel zurück zu zwängen.
Wir wandern weiter hinauf in die Schlucht. Es geht nun häufiger auf der oberen Kante der Westwand vom Canyon entlang. An einigen Stellen sieht man, wie die Schlucht sich in Schlaufen in den Grund geschnitten hat. Das lässt die gegenüber liegende Felswand zuweilen wie ein Schiffsbug erscheinen, der vom Johnston River brodelnd umflossen wird. An einer besonders bizarren Windung des Canyon versuchen wir, ein Selfie zu schießen - eine Herausforderung bei so wenig Platz für Stativ und Personen vor dem eigentlichen Motiv, dem Canyon. Schließlich lauert einen halben Schritt weiter bereits eine erhebliche Absturzgefahr.
Bald darauf gelangen wir an den zweiten markanten Höhepunkt der Schlucht, dem Upper Fall. Er hat eine größere Fallhöhe und stürzt nahezu senkrecht hinunter. Auch hier sind Aussichtsplattformen jeweils unterhalb des Falles und weiter oben errichtet worden. Die untere Plattform bietet zudem einen frontalen Blick auf die gegenüber liegende Wand des Canyon, die hier aus gelblich-ockerfarbenem Sedimentgestein besteht. Auch in diesem Falle ist die untere Plattform einem feuchten Nebel vom den sprühenden Sturzbächen des Wasserfalls ausgesetzt, der in mehreren parallelen Strahlen nach unten fällt.
Auch auf der oberen Plattform verweilen wir und gegen schließlich weiter. Wenige Meter weiter ist der Lehrpfad zu ende. Der Wanderweg geht jedoch weiter. er verlässt den Canyon und entfernt sich vom Johnston Creek - vorerst. Ein Schild zeigt als nächstes Ziel sogenannte Inkpots an. Würden wir jetzt kehrt machen, wäre die Wanderung entschieden zu kurz ausgefallen. Daher entschließen wir uns, weiter zu gehen.
Der Wanderweg ist nun ein echter Bergwanderpfad geworden. Der ausgebaute Stieg mit Geländer ist einem ausgetretenen Pfad gewichen. Nun sind auch weniger Wanderer zu sehen. Zunächst geht es wenig spektakulär durch den Wald und dabei zunehmend nach oben. Ganz selten öffnet sich mal ein Fernblick, meist auf die Gipfel über der östlichen Seite des Johnston Canyons. Nach kilometerlanger Wanderung erreichen wir das Ziel - die Inkpots.
Die Inkpots sind Springquellen, die in flachen Lachen und Tümpeln an die Erdoberfläche treten. Dabei bringen sie natürliche Farbstoffe aus dem Untergrund nach oben und färben das Wasser bläulich und grünlich. Am Grund der Tümpel, deren Wasser an sich sehr klar ist, sieht man das aufsteigende Wasser in Form von brodelndem Farbschlamm.
Diese Inkpots sind für sich genommen schon recht sehenswerte Naturerscheinungen, aber dieser Ort hat mehr zu bieten. Denn der Wald hat sich hier zu einer Alm gelichtet und hundert Meter weiter fließt der Johnston Creek. Doch hier hat er einen gänzlich anderen Charakter, als im tiefen Grund des Canyons, wo er reißend und gefährlich in Kaskaden hindurch schießt.
Hier ist er - natürlich ebenfalls als Wildwasser - ein Flüsschen, was über ein seichtes steiniges Bett strömt. Schnell, aber flach und vor allem sonnendurchflutet windet er sich durch die Wiesenaue, wo sich an seinem Ufer dutzende Wanderer zum Picknick niedergelassen haben. Es könnte keinen perfekteren Ort für ein Picknick geben, zumal hier das Ende des offiziellen Wanderweges ist. Auch wir lassen uns hier für eine entspannte Pause nieder.
Wir verbringen eine ganze Menge Zeit hier, vielleicht sogar eine Stunde. Das Picknick, der Ausblick auf das Bergpanorama über dem Flüsschen und das Umherschlendern an den Inkpots sind es aber wert, hier die Zeit zu vergessen. Doch irgendwann gewinnt die Unruhe überhand und wir begeben uns auf den Rückweg. Dieser ist nun geprägt von denselben Stellen, die wir bereits vom Hinweg kennen. Daher halten wir uns weniger lang auf.
Als wir den Canyon Lehrpfad wieder betreten, pausieren wir dennoch wieder, denn einige freche, aber faszinierend verspielte Erdhörnchen gewinnen unsere Aufmerksamkeit. Wir beobachten und natürlich filmen und fotografieren wir sie. Ihr agiles und nahezu schauspielerisches Possenspiel bringt uns auf den Gedanken, sie in einem unserer Filmchen mit einer Sprechrolle zu versehen.
Auf dem Rückweg im Canyon zeigen sich die Lichtverhältnisse etwas verändert. Es ist in solchen Schluchten generell schwierig, mit dem Licht ein Arrangement zu treffen. Düster am Boden und gleißend hell in den oberen Etagen lassen sich kaum Bilder fabrizieren die ausgewogen belichtet sind. Doch jetzt mit dem Licht aus West sieht es zumindest etwas besser aus.
Also nutzen wir den Umstand, dass wir überall nochmal vorbei müssen, um die einzelnen Höhepunkte des Canyons nochmal in anderem Licht zu fotografieren. Und so passieren wir die markanten Stellen abermals, wenn auch im schnellen Rücklauf.
Am Ende können wir auf eine recht ordentliche Wanderung zurückblicken und am Parkplatz angelangt fühlen wir uns noch nicht einmal allzu sehr erschöpft. Somit schauen wir bereits dem Abend entgegen, den wir am Two-Jack-Lake ausklingen lassen wollen und nun Kurs nach Osten auf der 1a nehmen.
Der Campground am Two-Jack-Lake ist uns wohlbekannt, zumindest der kleinere von beiden, der Lake-Side-Campground. Hier haben wir vor einem Jahr den Wintereinbruch in den Rockies erlebt und fanden seine Lage am See dennoch wunderschön. Somit sollte er nochmal für eine Nacht unsere Heimstatt werden.
Doch auch heute werden Wunsch und Realität mal wieder auseinanderdriften. Denn unser Wunschplatz ist überfüllt. Naja, es gibt ja einige hundert Meter weiter, den anderen Two-Jack-Lake Campground - "Two-Jack-Lake Main". Der liegt zwar nicht direkt am See, sondern mehr im Wald, aber was soll's. Doch wenn es kommt, kommt's dicke, der Two-Jack-Lake Main hat noch geschlossen und auch er wird erst am 1. Juli geöffnet. Jetzt sind wir wieder sehr enttäuscht und müssen zwangsläufig nach Banff auf den Tunnel Mountain Campground.
Zumindest drehen wir noch die Runde entlang dem Lake-Minnewanka-Scenic-Drive. Hier fahren wir nochmal am Two-Jack-Lake vorbei mit Blick vom Berghang und kommen auch am Lake Minnewanka vorbei, wo wir aber nicht mehr halten. Dann fahren wir nach Banff hinunter.
Die stadtnahen Campgrounds bei Banff sind grundsätzlich nicht schlecht. Aber sie sind sehr groß und wirken daher nicht ganz so einsam und wild. Es sind ihrer drei: Tunnel Mountain Village 1, Village 2 und Trailer Court. Wir steuern Village 1 an, weil er am weitesten im Wald liegt. Zudem buchen wir beim Einchecken eine Feuererlaubnis dazu, denn es ist Zeit, sich unserer Holzvorräte zu entledigen, die wir noch immer im Camper geladen haben.
Nachdem wir auf den zugewiesenen Stellplatz gefahren sind, freunden wir uns schnell mit der Stelle an. Sie ist umgeben von lichtem Wald, durch den die umliegenden Berge zu sehen sind. Der Platz ist weitläufig und viele der umliegenden Stellplätze sind nicht belegt.
Fünfzig Meter weiter zwischen den Bäumen sind Sanitäranlagen mit Warmwasser, Duschen und WC. Und es tummeln sich Erdhörnchen auf dem Platz und zwar in Scharen. Eines hat sogar den Eingang des Baus direkt an unserem Feuerplatz. Zu seinem eigenen Schutz verschließen wir den Eingang mit einem Holzscheit.
Am Ende wird der Abend beim Lagerfeuer wieder zum romantischen Tagesausklang und vermutlich auch zum Abschluss des wilden Teils der Reise. Es war ein warmer Sommerabend und wir saßen bis in die Dunkelheit am Lagerfeuer. Vor dem Schlafengehen raschelte es hinter dem Wohnmobil und im Schein der Stirnlampen sahen wir einen Wapiti Blätter von einem Strauch fressen.
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