Die letzte Nacht war der Brüller! Ein solch großes Nordlicht-Theater wird kaum zu toppen sein. Aber wir wollen doch hoffen, dass es nicht die letzte Nordlichtnacht gewesen sein wird.
Nebeneffekt der gestrigen langen Nacht ist aber, dass wir unseren Jetlag endgültig überwunden haben und relativ lange schlafen. Konkret bedeutet das, nicht schon gegen 6 Uhr sondern eher gegen 8 Uhr aufzustehen. Heute ist Sonnabend und der Fort Vermilion scheint auch noch zu schlafen. Aber da wir generell nicht so lange für die morgentlichen Verrichtungen nebst Frühstück brauchen, sind wir bald auch abflugbereit. Doch bevor es weiter in Richtung Norden geht, müssen wir tanken und fahren ein Stück zurück zur südlichen Abfahrt vom Highway 88. Die dort befindliche Tankstelle "Tall Cree Gas" deutet darauf hin, dass es sich um eine stammeskommunale Tankstelle der Cree First Nation handelt. Es gibt auch einen General Store, wo wir kurz reinschauen.
Dann aber folgen wir dem Highway 88 nach Norden in Richtung High Level. Als erstes überqueren wir den Peace River und nach einigen Kilometer wendet sich die Straße nach Westen und heißt nun Alberta Provincial Highway 58. Noch immer fahren wir durch ausgedehntes Farmland.
Auf halber Strecke nach High Level machen wir einen Abstecher in einen Seitenweg inmitten von Feldern. Wir wollen einen kurzen Zwischenstopp an einem verfallenen Farmhaus einlegen und diesen als "Lost Place" fotografieren. Auch dieser Tag ist freundlich und sonnig und auch mild. Die riesigen Felder um uns herum sind abgeerntet und bis auf das Säuseln des Windes herrscht Stille. Auch einen Drohnenflug absolvieren wir und dann beenden wir unsere kurze Rast.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir High Level und damit auch den Highway 35, den MacKenzie Highway. In High Level wird viel an den Straßen gebaut. Offensichtlich wird die Kreuzung der beiden Highways entflochten und der MacKenzie Highway im Bereich von High Level vierspurig ausgebaut. Insgesamt ist es recht hektisch und lärmbelastet im Ortskern, sodass wir ohne Stopp hindurch fahren.
Noch ist uns nicht ganz klar, wie weit wir heute überhaupt fahren wollen. Eine erste Idee ist es, im Twin Falls Gorge Provincial Park zu übernachten, noch vor Enterprice. Dort könnte der Besuch der beiden Wasserfälle "Alexandra Falls" und "Louise Falls" einen würdigen Tagesabschluss bilden. Allerdings ist der dortige Campground nicht so gut für Nordlicht-Beobachtungen geeignet, da er mitten im Wald liegt. Im übrigen kennen wir diesen Streckenabschnitt, denn wir sind den MacKenzie Highway auf einer früheren Reise von Yellowknife kommend schon mal in südlicher Richtung gefahren.
Der MacKenzie Highway ist eine echte Fernstraße, auf der jede Menge Trucks zur Versorgung der Nordwest-Territorien unterwegs sind. Parallel zum Highway verläuft ein Gleis der Canadian National Railway. Doch diese Bahnlinie endet in Hay River am Großen Sklavensee und wird eher für Schüttgut genutzt.
Nördlich von High Level gibt es bis zur Grenze von Alberta noch einige kleine Orte, die als solche kaum erkennbar sind - nur einzelne Häuser am Wegesrand. Der letzte Ort vor den Nordwest-Territorien ist Indian Cabins und das ist auch das letzte Mal, dass wir Spuren von Landwirtschaft sehen. Danach kommt nur noch Taiga und die kanadischen Nordwest-Territorien (NWT) begrüßen uns am 60. Breitengrad (der die Grenze zwischen Alberta und NWT bildet) mit einem speziellen Monument.
Neben der Bahnlinie, die uns nach Norden begleitet, verläuft der Highway nun auch entlang des Hay River, eines Flusses, der sein Wasser aus den umliegenden Ebenen der Sumpftaiga bezieht und ein entsprechend moorig-bräunliches Wasser führt.
Weiter im Norden, kurz vor Enterprise schneidet sich der Hay River ins Sediment und bildet zwei beeindruckende Wasserfälle. Einer von ihnen ist der Alexandra Wasserfall.
Die Wasserfälle sind Teil des Twin Falls Gorge Territorial Park, was soviel heißt wie: Gurgel der Zwillingsfälle. Da heute Sonnabend ist, sind an der Picknick-Area des Parkes oberhalb des Alexandra Wasserfalls einige Familien der Dene First Nations zum Grillen hergekommen. Wir interessieren uns natürlich mehr für den Blick auf den Wasserfall. Und trotz der Besucher an den Grillplätzen ist das Umfeld des Wasserfalles praktisch menschenleer. Im Gegensatz zu den Niagarafällen oder ähnlichen Berühmtheiten, wo der touristische Massenansturm das Naturerlebnis trübt, kann man diesen Wasserfall völlig ungestört in seiner natürlichen Ursprünglichkeit bewundern. Natürlich lassen wir hier auch die Drohne steigen um den Wasserfall aus der Vogelperspektive einzufangen.
Es ist nun an der Zeit, die Frage des Übernachtungsplatzes zu klären. Dazu fahren wir weiter zum Louise Wasserfall, wo sich der Campground des Parkes befindet. Doch dieser ist bereits wegen Saisonende geschlossen. Er gehört zu der Kategorie von Plätzen, die richtig zugesperrt sind und ein abgeschlossenes Tor die Nutzung ohne Service unterbindet.
Damit fällt diese Möglichkeit von jetzt auf gleich weg und wir sind garnicht so traurig darüber. Denn es bahnt sich eine weitere sternenklare Nacht an und wir sind nun frei, einen Platz mit Blick auf den freien Himmel zu finden. Eine Idee haben wir schon, aber das ist schon noch ein Stückchen Fahrt.
Den Platz hatten wir uns mal vorgemerkt (aber dort nicht übernachtet) als wir einmal auf dem Fort-Smith-Highway nach Fort Resolution gefahren sind. Es ist der Polar Lake, wo am Südufer des Sees ein Campground freien Blick auf den nörlichen Teil des Himmels gewährt.
Dazu müssen wir bis kurz vor Hay River (City) fahren und dann auf den Fort-Smith-Highway nach Osten abbiegen. Diesmal wird es schon recht spät, bis wir unser Ziel erreichen. Auf dem Fort-Smith-Highway werden die Schatten der Taiga immer länger und das Sonnenlicht immer rötlicher. Als wir den Campground erreichen, der etwas abseits vom Highway im Norden liegt und über einen besseren Forstweg zu erreichen ist, versinkt die Sonne gerade hinterm Horizont. Nun schnell ein Feuerchen gemacht und ein Abendbrot arrangiert. Dann kann schon die Fotoausrüstung in Stellung gebracht werden. Danach können wir es uns in den Campingstühlen am Feuer gemütlich machen.
Der Campground am Polar Lake ist kein Territorialpark, sondern eher ein Platz für regionale Angler und Jäger. Er ist daher ohne jeglichen Komfort. Aber es gibt wie üblich einzelne Stellplätze entlang des Ufers, die mit Feuerpit und Picknickbank ausgestattet sind. Auf dem Platz stehen auch zwei andere Wohnmobile, die scheinbar zusammengehören und deren Leute um ein gemeinsames Feuer sitzen. Wir suchen einen Stellplatz etwas abseits, am Ende des Campgrounds, aber direkt am Wasser.
Ein bisschen gruselig ist es schon, ganz am Rande des Platzes, wenige Schritte von der wilden Taiga entfernt im Freien zu sitzen, während die Nacht anbricht. Man stellt sich vor, dass plötzlich ein schniefender Grizzly aus dem Gebüsch trottet und Anspruch auf die Leckereien erhebt, die es in der Nähe von Menschen gibt. Aber letztlich vertrauen wir in unser loderndes Lagefeuer und die Geräuschkulisse menschlicher Ansammlungen, welche die Bären grundsätzlich zu meiden versuchen.
So kommt die Dunkelheit schleichend und noch bevor im Westen das Abendrot gänzlich verblasst ist, beginnen abermals die Nordlichter zu tanzen. Sie sind in der Tat etwas ruhiger an diesem Abend, als in der wilden Nacht zuvor in Fort Vermilion. Aber es hat auf andere Weise etwas Großartiges, denn diesmal ist es wesentlich romantischer, außerhalb jeglicher urbaner Strukturen am nächtlichen Ufer eines einsamen Sees im Schutz des Lagerfeuers die Aurora Borealis am Himmel zu beobachten.
Den Fotoapparat haben wir ausgerichtet und die Auslöseautomatik aktiviert. Er arbeitet jetzt selbstätig und macht jede halbe Sekunde ein Bild, woraus später - sofern die Bilder brauchbar sind - eine Time Lapse, also ein Zeitrafferfilm entstehen wird.
Das erlaubt es uns, ganz entspannt bei einem Gläschen Rotwein das Himmelsspektakel zu genießen.
Doch Rotwein und das gemütliche Ambiente am Lagerfeuer machen dann doch schneller müde, als die nächtliche Show in der Nacht zuvor, wo wir sogar noch eine Nachtwanderung am Peace River absolvierten.
Auch sind die Lichter heute ruhiger und zeigen eher klassische Formen, meist Bögen über dem Horizont im Norden.
Somit werden wir heute mit gutem Gewissen uns einiges vom nächtlichen Schauspiel entgehen lassen können und zu Bett gehen. Den Fotoapparat können wir draußen vor dem Wohnmobil bedenkenlos die ganze Nacht weiterarbeiten lassen, denn hier in der Wildnis ist keiner, der ihn klauen würde.
Und selbst Gevatter Bär würde am Stativ schnüffeln und den Fotoapparat als ungenießbar verschmähen. Das Ergebnis dieser nächtlichen Bilderreihe kann man im nachfolgenden Zeitraffer bewundern. (Bitte im Vollbild anschauen, dann ist das merkwürdige Flimmern der Sterne nicht so ausgeprägt und die Konrastarmut weniger stark.)
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