Es war eine sehr ruhige Nacht am Tetsa River. Über dem nächtlichen Campground lag eine tiefe Stille.
Da der Campground nach Saisonende einsam und verlassen dalag, wenn wir nicht gar die einzigen hier waren - zumindest war niemand in Sichtweite unseres Stellplatzes - war es hier einzigartig ruhig.
Am Morgen ist der umgebende Wald herbstlich kalt und feucht, was uns im Camper natürlich nichts ausmacht. Aber wenn man ein paar Schritte über den Platz in morgentlicher Stille läuft, merkt man, wie die klamme Kälte einem unter die Haut dringt.
Ein paar Kilometer auf einem Schotterweg vom Campground zum Alaska Highway und wir fahren wieder westwärts. Die heutige Etappe haben wir bewusst recht kurz geplant, denn die malerischen nördlichen Rockies wollen wir keinesfalls zu hastig und unter Zeitdruck durchfahren. Spätestens am Muncho Lake soll heute die Fahrt zu Ende sein, vielleicht aber auch schon am Summit Lake.
Wir stellen fest, dass der Himmel nicht mehr wolkenlos ist, aber die Schleierwolken sind hoch genug, um den Fernblick auf die Rockies nicht zu trüben.
Da der Alaska Highway charakteristische breite Seitenstreifen hat, ist der Fernblick auf die Bergpanoramen meist unverdeckt, zumindest dort, wo die Täler noch breit genug sind, diese Bauweise zuzulassen. Die breiten Grasstreifen werden auch gern von Tieren besucht und so ist der Alaska Highway für das Beobachten von Bären, Karibus, Elchen und Waldsbisons prädestiniert.
Die erste Tierbeobachtung lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Es sind Karibus (engl.:Caribou), die mit dem eurasischen Rentier verwandt sind. Sie sind etwas schlanker und langbeiniger als Rentiere, was die Antwort der Evolution darauf ist, das die Karibus in Kanada Fernwanderer sind. Sie überwinden beim Wechsel zwischen Sommer- und Winterrevieren manchmal tausende Kilometer.
So sind wohl auch diese Rentiere weniger an der Weide am Straßenrand interessiert, sondern vielmehr am Highway selbst, den sie als Fernwanderweg nutzen.
Manchmal ist es aber auch ein anderer Grund, der vor allem Pflanzenfresser an die wenigen Straßen in dieser Wildnis führt. Vor allem Dallschafe und Großhornschafe nutzen die beim Straßenbau häufig durch Sprengung freigelegten Felsen, die dem Verlauf der Trasse im Wege waren, um Mineralien zu lecken.
Nicht jedem Autofahrer liegt etwas daran, seine Zeit mit der Beobachtung von Tieren zu vertrödeln. Man kann verstehen, dass Trucker keine Verzögerung ihrer Lieferung mögen und man kann zuweilen beobachten, wie sie mit der Hupe die Tiere von der Straße vertreiben. Dabei machen Bären und Elche, die man seltener sieht, keine Ausnahme.
Da wir diesen Abschnitt der Strecke bis Watson Lake auch 2016 befuhren, kann hier über diesen Link auch ein Vergleich gezogen werden.
Rentiere sichten wir noch einige weitere Mal und kommen schließlich am Summit Lake an. Dieser kleine See befindet sich am Pass zwischen zwei Tälern, wo der Highway den Tetsa River verlässt und ins Tal des McDonald Creek hinüber wechselt.
Man erblickt kurz vor dem See die Reste eines aufgegebenen Motels, dessen Gebäude vom Verfall gekennzeichnet sind.
Der ehemals grüne Anstrich ist verwittert und blättert ab. Zwei gefledderte Zapfsäulen zeigen an, dass hier neben dem Motel auch Geschäfte mit Benzin gemacht wurden.
Etwas weiter stehen auch einige bewohnte Hütten, worauf die davor geparkten Pickups hindeuten.
Dann kommt schon der Summit Lake Campground. Er ist geschlossen und zwar richtig, denn die Schranke vor der Einfahrt ist zu und abgeschlossen. Dieser Campground liegt unmittelbar am Summit Lake, aber auch direkt am Alaska Highway. Offensichtlich um den Platz vor Vandalismus zu schützen, hat man ihn zum Winter komplett dicht gemacht.
Aber es gibt einen Parkplatz auf der gegenüber liegenden Seite und es führen mehrere Wanderwege in verschiedene Richtungen in die umliegenden Berge. Wir halten hier und gehen ein Stück auf dem Weg, der nordwärts abgeht. Hier finden wir alsbald einen ganz frischen Bärenhaufen.
Wir entschließen uns, ein Stück dem Flussbett des nunmehr nur als Bächlein bergab fließenden Tetsa River zu folgen, weil wir meinen, vom Auto aus die dunkle Kontur eines Bären gesehen zu haben. Falls er der Verursacher des frischen Haufens war, könnten wir ihn beobachten und fotografieren. Einen sicheren Abstand würden wir natürlich wahren, aber für den Fall der Fälle haben wir auch Pfefferspray dabei.
Doch letzten Endes bekommen wir den Bären nicht zu Gesicht und kehren zum Parkplatz zurück.
Hier hat ein Expeditionmobil geparkt mit deutschen Kennzeichen aus Hannover. Beim Schlendern über den leeren Summit Lake Campground treffen wir das dazugehörige Paar. Im Rentenalter sind sie noch nicht, aber offensichtlich können sie sich ein Leben als Weltenbummler leisten. Und die Preise für ein Expeditionsmobil dieser Art beginnen erst bei 200.000 €.
Nach einem kurzen Plausch fahren sie in Richtung Osten weiter, während unser Weg westwärts führt.
Doch bevor wir weiter fahren, lassen wir über dem Summit Lake auch wieder unsere Drohne kreisen. Dabei kann man gut den verwaisten Summit Lake Campground erkennen und wie der Highway sich einsam am Ufer des kleinen Bergsees entlangzieht. Aber auch das verlassene Motel in seinen verwitterten Grün ist in einiger Entfernung zu sehen.
Dann fahren auch wir weiter nach Westen.
Bevor wir uns am Pass wieder ins Tal des McDonald Creek hinunter schrauben, stoppen wir an einer kleinen Haltebucht. Hier sieht man häufig Dall Schafe auf der Suche nach mineralhaltigen Steinbrocken zum Lecken. Aber diesmal können wir keine Tiere sehen.
Dafür aber gibt es wenig später erneut Karibus zu sehen. Der Highway ist hier etwas unübersichtlich und windet sich durch enge Serpentinen. Daher wollen wir uns und andere Fahrzeuge nicht gefährden und halten nicht lange, beziehungweise nur an geeigneten Haltepunkten.
Am Anfang des Tals, in dem der McDonald Creek nordwärts fließt, liegt die Rockie Mountain Lodge, die wir aber links liegen lassen. Stopps legen wir ein am Baba Canyon und dann nochmal an der Toad River Lodge, wo wir auch tanken, ein Eis essen und den Souvenirladen durchstöbern.
Das Tal des Toad River ist bereits ein weiteres, diesmal westwärts verlaufendes Tal. Doch auch dieses Tal verlassen wir bald und wechseln ins Tal des Trout River, der den Hauptzufluss und Abfluss des Muncho Lake bildet. Und an diesem sind wir am Ziel. An seinem südlichen Ende liegt ein Campground namens Strawberry Flats. Wir erwählen ihn als unser Tagesziel, den seine Lage ist wunderschön.
Zwar ist auch er geschlossen und auch hier ist die Schranke unten. Doch die Gestalter des Platzes haben die Schranke so platziert, das der Stellplatz Numero 1 noch vor der Absperrung liegt. Alle anderen Plätze sind nicht zugänglich. Aber da dieser Stellplatz nicht schon von einem anderen Herbstvagabunden belegt ist, sind wir höchst zufrieden mit dieser Standmöglichkeit.
Der Himmel ist allerdings garnicht mehr freundlich. Aber Zeit genug haben wir und schlendern am Ufer entlang, soweit es uns gefällt. Dann gehen wir über den verwaisten Campground zurück und bewundern dabei die herbstliche Flora.
Am Camper angekommen, fallen tatsächlich die ersten Tropfen. Wir ziehen uns in das Wohnmobil zurück. Nordlichter können wir uns heute Nacht abschminken.
Trotz des bewölkten Himmels genießen wir im Laufe des Abends von unserem Platz aus oder einfach nur aus dem Wohnmobil heraus den Blick über den See und auf das majestätische Bergpanorama.
Wir sind nun im Herzen der nördlichen Rockies und werden morgen die Grenze zum Yukon erreichen.
Mit der heutigen Etappe haben wir über 2500 Kilometer zurückgelegt und sind von Edmonton startend durch Alberta, die Nordwest-Territorien und nunmehr durch British Columbia gefahren. Die Karte unten rechts zeigt diesen Reiseverlauf. Etwa die Hälfte der Reise liegt nun hinter uns, aber eine nicht minder spannende zweite Hälfte liegt noch vor uns und morgen wird sie beginnen.
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