Montag, 25. September 2017

Von Edmonton durch den Nordwesten - zwischen Dease Lake und Telegraph Creek auf den Spuren der Hinterwäldler


R&G

In der Nacht sind noch mehrfach Schauer niedergegangen, aber der Morgen ist freundlich. Die Kälte, die sich in den frühen Morgenstunden vom unbewölkten Himmel über den Boya Lake gelegt hat, lässt Dampfschwaden übers Wasser treiben.

Nach dem Frühstück wollen wir zum Bootsanleger gehen und uns das Kanu schnappen. Der See lockt und das Wetter passt auch.

Doch es war wohl etwas unbedarft von uns zu glauben, dass kein anderer auf die Idee kommen könnte, ein Boot zu mieten. Noch beim Frühstück sehen wir durch Fenster des Wohnmobils einen Mann zum Anleger eilen. Minuten später kommt er vor unserem Stellplatz auf dem Wasser vorbeigepaddelt. Er sitzt in dem Zweisitzer Kanu und bringt es an seinem Stellplatz ans Ufer. Dann beginnt er, zusammen mit seiner Partnerin das Boot für eine Tour zu beladen.

Wir sind konsterniert. Hat uns jetzt eben jemand das einzige Zweimann-Kanu vor der Nase weggeschnappt? Wir gehen nach dem Frühstück zum Steg und tatsächlich: Es sind nur noch die kleinen Einmann-Kajaks da. Mit denen haben wir keine Erfahrung. Es gibt zwar noch ein Einmann-Kanu, welches wir kurz in Zweimann-Belegung testen, aber es ist zu klein für zwei und dadurch zu instabil. Somit lassen wir das Ganze und entschließen uns zur Weiterfahrt.

Wir sind auf der westlichsten Fernstraße, die von Süden her in den Yukon führt. Sie ist zudem sehr malerisch und von sehr wenigen Ortschaften geprägt. Im Westen trennen uns nur die Coast Mountains von der Pazifikküste. Doch unser Ziel ist nochmal etwas wilder als der Cassiar Stewart Highway. Es ist die Telegraph Creek Road, die von Dease Lake nach Westen geht.



Dort wollen wir am Canyon des Stikine River entlang bis an das Ende dieser Straße hinter Telegraph Creek fahren und eine landschaftliche Sehenswürdigkeit anschauen, die drei Schwestern. Die "Three Sisters" sind drei im Stikine River der Erosion trotzende Felsen, die mitten in der Strömung aufragen.

Doch auf dem Weg dorthin geht's erstmal auf dem Highway 37 südwärts. Die Bergpanoramen auf unserem Weg wechseln ständig und sind immer überwältigend.

Die Cost Mountains im Westen sind weniger beachtet, als die Rocky Mountains, aber sie sind mitunter gewaltiger und höher. Auch der höchste Berg Kanadas, der Mount Logan im Kluane Nationalpark ist teil dieses Faltengebirges

Wir erreichen Jade City, einen Ort, der weit davon entfernt ist, eine City zu sein.Es ist eine Ansammlung von Baracken und Blockhütten, die im Zusammenhang mit dem Jadeabbau in dieser Gegend entstanden ist.

Hauptattraktion und Anlaufpunkt für Durchreisende ist der Cassiar Mountain Jade Store, der mehr als nur ein Souveniershop ist. Bereits vor der Einfahrt in dem Ort wirbt ein Schild mit kostenlosem Kaffee und freiem WLAN im Jade Store. Ein Stopp an diesem Laden ist ein Muss und die ins Wasser gefallene Kanu-Tour hat uns ein komfortables Zeitpolster verschafft.

Der Jade-Store ist eine Kombination aus Museum mit Freiluftbereich, einem Treffpunkt für ortsansässige Hillbillies und Durchreisende, aber natürlich auch Souvenirladen für Schmuck und Jadeartikel. Bei den meisten haben wir den Verdacht, sie könnten in China oder sonstwo in Fernost in Massen hergestellt worden sein, aber es gibt auch Unikate bis hin zu tonnenschweren Springbrunnen aus Jade.

Sein Versprechen bezüglich freiem Internet und kostenlosen Kaffee hat der Jade Store jedenfalls gehalten und es gibt sogar eine Couchecke, auf der man beides in Ruhe genießen kann. Wir revanchieren uns mit dem Kauf einiger kleiner Jade-Souvenirs, darunter kleine Bärenfiguren und Würfel aus grüner Jade.

Den Außenbereich besichtigen wir auch, wo diverse Maschinen zum Schneiden und Schleifen des Steines, aber auch jede Menge Rohlinge und halb bearbeitete Jadeblöcke herum stehen.

Dann fahren wir weiter südwärts. Nicht weit entfernt sehen wir an einem See eine Lodge in romantischer Lage, die wir sogleich als Fotomotiv ins Visier nehmen. Sie nährt den Traum von einer gemütlichen Blockhütte in einsamer Wildnis. Wobei diese hier immerhin von der Straße aus sichtbar ist, man aber keine Zufahrt erkennen kann.


Nach einer weiteren Stunde Fahrt ist es Mittagszeit und wir finden einen Platz abseits der Straße direkt an einem Wildwasser - eine perfekte Picknickstelle. Es wäre wohl die ideale Stelle, um eine Angel auszuwerfen und da diese Region ihr Wasser in Richtung Pazifik fließen lässt, dürften auch hierher Lachse zum Laichen kommen. Dann sind hier zur Lachssaison gewiss auch jede Menge Bären zu sehen.

Doch trotz einer ausgedehnten Mittagspause - zum Angeln würde unsere Zeit nicht reichen, denn es ist noch ein ordentliches Stück zu fahren.

Zuerst müssen wir Dease Lake erreichen, die einzige richtige Siedlung am nördlichen Stewart-Cassiar-Highway. Sie ist auch Regionalverwaltung für dieses Gebiet und hier zweigt die Telegraph Creek Road ab.

Erst seit wenigen Jahren ist der Highway 37 (Stewart-Cassiar) asphaltiert. Somit sind wir recht zügig bis Dease Lake am gleichnamigen See gekommen. Doch die Telegraph Creek Road ist eine Schotterstraße in uns unbekannter Qualität. Mal sehen, wie schnell wir voran kommen werden, denken wir uns, als wir auf diese Straße nach Westen schwenken.

Es zeigt sich nun, dass die Straße wirklich herausfordernd ist. Manche Abschnitte sind zerfahren und steil, so dass sich das vorsorgliche Aktivieren des Allradantriebs empfiehlt.

Nach einem anfänglich etwas unspektakulären Streckenabschnitt durch eine heideartige Landschaft werden die Fernblicke interessanter. Wir erreichen das Tal des Stikine River. Die Landschaft ist wie von Gold durchwirkt.
Mit Camcorder und Bärenspray - Fernblick zum Tahltan Canyon


Man sieht nun in der Ferne die ersten schneebedeckten Gipfel des Küstengebirges, die die herbstlich goldleuchtenden Birkenwälder überragen. Wir halten an einer Day-Use-Area mit tollem Fernblick, der den Tahltan Canyon im Norden sichtbar werden lässt.

Später halten wir nochmals am Eintritt der Straße in den Stikine Canyon. Hier befindet sich der Zusammenfluss des Stikine River und des Tahltan River und hier ist auch das Reservat der Tahltan First Nations. Ein Schild am Abzweig nach Tahltan weist darauf hin, dass stammesfremde keine Erlaubnis haben, weiter in den Ort zu fahren.

Es geht also weiter auf der Telegraph Road und wir sehen zumindest das Fishcamp der Tahltan. Dann wird die Straße echt interessant, aber es wird auch schon langsam Abend. Der Stikine River fließt nun durch einen schroffen Canyon und die Erbauer der Straße haben für die Wegführung der Telegraph Creek Road so manche Herausforderungen meistern müssen. Im Ergebnis ist ihr Verlauf abenteuerlich, herausfordernd und schön zugleich.

Es gilt nun so langsam, einen Nachtplatz zu suchen. Wir erreichen Telegraph Creek somit heute noch nicht. Ein paar GPS-Koordinaten haben wir uns bei der Reisevorbereitung vorgemerkt. Einer dieser Punkte erweist sich als bestens geeignet. Er ist zwar nur durch ein paar Büsche von der Straße getrennt, aber es kommt ohnehin nur einmal in der Stunde ein Fahrzeug vorbei. Dafür ist die Lage einzigartig. Das Plätzchen ist eine Lichtung direkt an der Kante des Canyons, was uns sogar veranlasst, Steine vor die Reifen zu legen, weil ein Abrollen unweigerlich nach einigen Metern zu einem Sturz in den Canyon führen würde. Der folgende Drohnenflug zeigt diesen Platz und die Landschaft drumherum.



Nach einem nicht allzu langen Verweilen am Feuerchen und dem Abendmahl ist alsbald der Rückzug in die Koje angesagt. Morgen werden wir uns auf die suche nach den drei Schwestern machen.



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