Montag, 18. September 2017

Von Edmonton durch den Nordwesten - an den Gestaden des Mackenzie River

R&G
Trotz des nächtlichen Besuches durch Einheimische an unserem gestrigen Lagerfeuer haben wir wunderbar geruht und auch etwas länger geschlafen, als in den Nächten zuvor.

Das morgendliche Ritual eines kleinen Rundganges, um die Lichtstimmung zu genießen und dann im Camper zu frühstücken, halten wir wie gewohnt auch heute ab.

Ohne Hast fahren wir dann los, aber nicht allzu weit, denn gleich hinter der Brücke über den Trout River zweigt nochmals ein Waldweg zu Seite ab und führt an den Rand des Canyons unterhalb vom Sambaa Deh Wasserfall. Diesen Blick wollen wir uns noch einmal gönnen. Danach geht es in die heutige nicht so lange Etappe auf dem Mackenzie Highway nach Fort Simpson.

Eine Schotterstraße kennt meistens nur zwei Extreme: Entweder Staub oder Schlamm. Diesmal ist es trocken, sodass wir eher die Option "Staub" gewählt haben. Aber es gibt bei unbefestigten Straßen immerhin verschiedene Abstufungen: Mal sind sie frisch abgezogen und bekieselt. Dann ist die Schlammbildung bei Nässe nicht so extrem. Mal sind sie zerfahren und das harte, mit Schlaglöchern übersähte Podsol-Bett liegt frei. Dann ist es mit dem Staub besser, aber bei Nässe extrem schlammig.

Heute ziehen wir mal mehr, mal weniger stark eine Staubfahne hinter uns her und durchfahren von Zeit zu Zeit die Staubfahnen des Gegenverkehrs.



Unser Tagesziel ist zwar Fort Simpson, aber da wir unseren Reservetag nicht beansprucht haben, sind wir einen Tag zu früh und werden wohl zur Nacht nicht in Fort Simpson bleiben. Wahrscheinlich werden wir ein einsames Plätzchen am Mackenzie Highway in Richtung der Fähre nach Wrigley suchen.

Warum haben wir einen Reservetag eingeplant? Der Grund ist, wir haben übermorgen einen festen Termin in Fort Simpson, einen gebuchten Flug in den Nahanni Nationalpark zum Virginia Wasserfall. Daher war ein Tag für unverhergesehene Verzögerungen eingeplant, die aber nicht eingetreten sind. So werden wir also einen Tag verdaddeln müssen - ausgerechnet in einer Gegend mit relativ unspektakulärer Landschaft. Aber noch liegt ein kleines Stück Schotter vor uns.


Ansonsten ist der Highway sehr verlassen. Und wir begegnen unserem ersten Schwarzbären. Solange kein Verkehr ist, benutzt er den Highway als Wanderroute und sucht an den Randsteifen nach Nahrung. Manchmal ist es auch der Toilettengang, der auf dem ebenen Grund einfach komfortabler ist.

Wir beobachten ihn ein Weilchen, doch bei unserem Versuch, näher an ihn heranzurollen, flüchtet er schließlich ins Dickicht.

Da er sich nicht wieder blicken lässt, fahren wir weiter nach Westen. Streckenweise hat es auf dem Highway heute schon einen ganz speziellen Service gegeben. Wenn es sehr trocken ist, fahren Sprühwagen den Highway entlang und befeuchten den Schotter. Damit wird die Staubbildung reduziert. Dem Anschein nach ist so ein Sprühwagen heute schon hier lang gefahren.


Kurz vor dem Abzweig des Liard Highway nach Süden ist der Highway wieder asphaltiert. Er verläuft nun nordwärts parallel zum Liard River. Dieser ist hier bereits ein Riesenstrom und mündet schon bald in den noch gewaltigeren Mackenzie River.

Doch der Highway endet nach etlichen Kilometern an einer Rampe, die in den Fluss hineinführt.

Hier befindet sich eine Autofähre, da Fort Simpson westlich vom Liard River am Mackenzie liegt und somit der Liard überquert werden muss. Die Fähre ist kostenlos, da sie teil des öffentlichen Straßennetzes ist.

Nach dem Übersetzen sind es noch einige Kilometer bis Fort Simpson, aber die Stadt ist schnell erreicht.
So wie viele Siedlungen im hohen Norden Kanadas kommt auch Fort Simpson einem Europäer wohl ziemlich schäbig vor. Es ist eine Barackensiedlung mehrheitlich durchzogen von staubigen Schotterstraßen. Nur die Hauptstraße ist asphaltiert und gesäumt von einer losen Reihe von Funktionsbauten mit Lagerhallencharme. Hier findet sich dann auch die Tankstelle und einige Läden samt Liquor Store.

Die Stadt mit ca. 1200 Einwohner liegt am Ufer des Mackenzie River und bei Hochwasser sogar auf einer Insel, wenn ein ansonsten toter südlicher Flussarm geflutet ist. Parallel zur Ausdehnung des Ortes entlang des Mackenzie-Ufers liegt ein Rollfeld, welches sich zwei regionale Busch-Airlines teilen - die Simpson Air und die Wolverine Air. Es gibt auch einen Regionalflughafen, der in der Nähe der Fähre über den Liard liegt. Dort gehen Flüge nach Edmonton und andere kanadische Städte. Doch für Flüge zu unwegsamen Orten, wie zum Beispiel dem Nahanni Range startet man vom städtischen Flugplatz oder mit dem Wasserflugzeug vom Ufer des Mackenzie.

Wir wollen zuerst zu Simpson Air ins Büro, um uns den Flug übermorgen bestätigen zu lassen. Eine kleine Schwierigkeit ergibt sich, als wir feststellen, dass deren Büro komplett durch eine Straßenbaustelle abgeschnitten ist. Ein Bauarbeiter sagt uns, wir können problemlos über das Rollfeld zu Simpson Air fahren, was wir schließlich auch machen. Nachdem wir bei dieser kleinen Fluggesellschaft Genaueres geklärt haben, erledigen wir noch ein paar Einkäufe und verlassen die Stadt in Richtung Wrigley.


Wäre unser Flug schon morgen, so hätten wir uns wohl ganz in der Nähe einen Stellplatz gesucht. So aber fahren wir weiter in die Wildnis um, wie kann es anders sein, einen Übernachtungsplatz ohne Lichtverschmutzung zu finden.

Der Mackenzie Highway ist nun wieder eine Schotterpiste, und zwar eine üble. Aber unsere eigene Staubfahne stört uns kaum und Gegenverkehr haben wir nur wenige gezählte Male.

Die Landschaft ist ziemlich eintönig - endlose, flache Taiga. Wir testen Forstwege, die vom Highway abgehen, um geeignete Lichtungen zu finden. Ein Platz gefällt uns schließlich ganz gut, sogar ein kleiner See ist hier. Vermutlich ist die größere Brache eine ehemalige Kiesentnahme für den Highwaybau gewesen, aber uns stört das nicht. Wir bauen unser Lager auf.

Lager aufbauen, bedeutet nicht viel. Lediglich das Wohnmobil ausrichten und schauen, dass es nicht geneigt steht, Campingstühle raus und Feuerchen gemacht.

Mit Blick auf die landschaftliche Tristesse sagen wir uns, dass wohl erst am Ende des Liard Highway, wenn wir die nördlichen Rockies erreichen, wieder spektakuläre Lanschaften zu sehen sein werden, und natürlich übermorgen auf unserem Flug in den Nahanni Range, wo wir absolute unberührte Berglandschaften sehen werden. Aber vorerst nehmen wir mit diesem endlosen Wald vorlieb und nehmen die Chance auf weitere Nordlichter war.
Doch auch diesmal erhalten wir Besuch. Er gilt zwar nicht uns, aber dem kleinen See, an dem wir kampieren. Ein Pickup kommt herangefahren und hat ein Aggregat im Gespann. Es ist diesmal noch nicht dunkel und somit auch nicht unheimlich. An einer gut zugänglichen Stelle postioniert der Fahrer das Aggregat am Wasser und es wird erkennbar, dass es eine Pumpe ist.

Ich schlendere hin und komme mit ihm ins Gespräch. Auch er ist Dene und arbeitet als Sprühwagenfahrer an diesem Abschnitt des Highway. Die Pumpe, die er aufstellt sei für morgen. Dann wird er hier mehrfach seinen Wassertank auffüllen.
Da er den gleichen Ford F 350 hat wie wir, nur ein Modell älter, reden wir auch über Fahrzeuge.

Er gibt uns den Tipp, falls wir mal zu weit weg vom Fahrzeug seien, wenn ein Bär kommt, da gäbe es an Schlüsselfernbedienung des Autos auch eine Paniktaste, welche den Einbruchsalarm am Fahrzeug auslöst. Damit ließe sich ein Bär recht gut beeindrucken und man könne die Zeit nutzen, sich in Auto zu retten.
Als er schließlich sein Equipment aufgestellt und wieder davongefahren ist, sind wir wieder allein und genießen den Sonnenuntergang. Wolkenreste, die von der untergehenden Sonne bizarr angestrahlt werden, dekorieren den Abendhimmel, werden aber zunehmend weniger. Es scheint, sie verflüchtigen sich mit der Abenddämmerung und wieder scheint die Nacht sternenklar zu werden. Die Chance einer weiteren Nordlichtnacht scheint sich zu erfüllen.


 Die Fototechnik ist auch diesmal bereits aufgebaut und bereit, die ganze Nacht Aufnahmen für einen Zeitraffer zu machen. Wir selbst bleiben noch solange am Feuer sitzen, wie es uns gelüstet. Auch diesmal kommt die Aurora Borealis bereits vor Einbruch der endgültigen Dunkelheit und wir können noch einiges davon bewundern. Doch auch diesmal wiederholt sich die kraftvolle bunte Show von Fort Vermilion nicht. Es bleiben eher die grünen ruhig wabernden Bögen über dem nördlichen Horizont.

Nachdem die völlige Dunkelheit hereingebrochen, der letzte Drink ausgetrunken und das Feuer niedergebrannt ist, gehen wir in die Koje des Campers für einen Nachtschlaf in absoluter Abgeschiedenheit und Stille.

Ein kurzes Time Lapse Video gibt es auch in diesem Beitrag unten zu sehen.

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