Donnerstag, 21. September 2017

Von Edmonton durch den Nordwesten - vom Liard zum Alaska Highway im nördlichen British Columbia

R&G

Nach dem ereignisreichen gestrigen Tag sind wir heute ganz entspannt. Als würde auf die Pflicht die Kür folgen, scheinen die Pläne für den Tag nebensächlich. Erstmal ohne jede Hast in die Gänge kommen, lautet die Devise. Seit wir gestern hier am Ende dieser Straße am Liard River angekommen sind, ist keine Menschenseele aufgetaucht und die verwaisten Pickups am Straßenrand wirkten wie ein Autofriedhof.

Nebelbänke ziehen in Schwaden über das Wasser und über dem Wald gegenüber, dessen Herbstfarben bereits von der aufgehenden Sonne gestreift werden und zu leuchten beginnen. Ein Drohnenrundflug dokumentiert die Stimmung am Fluss und verdeutlicht nochmals, wie wenig Wasserer führt und wie gewaltig die trocken gefallenen Sandbänke sind.



Doch nun löst sich ein Schatten vom anderen Ufer. Dann hört man auch das Motorgeräusch. Ein Motorboot mit mehreren Männern darin kommt in weitem Bogen eine Sandbank umfahrend zum diesseitigen Ufer. Es sind Jäger, die von erfolgreicher Jagd zurückkehren.

Zwei von ihnen springen an Land und holen ihre Pickups ans Wasser. Der Dritte vertäut das Boot und beginnt, die Ausrüstung zu entladen. Man kann erkennen, nicht nur Equipment, sondern auch Unmengen an Fleisch, teilzerlegtes Wild - vielleicht ein Elch - wandern in die Pickups.



Wir beobachten das Treiben der Jäger, genießen aber gleichzeitig die Morgenstimmung am Fluss. Unsere Seite des Flusses, die Ostseite, liegt noch vollständig im Schatten des Waldes. Aber die Landschaft am Westufer leuchted zunehmend in der Morgensonne auf .

Der Nahanni Butte wird noch von Nebelbänken umspielt, die in der Sonne weiß gleißen. Doch wie auch gestern abend, überragt er die Szenerie im Westen.
Frei von jeglichem Zeitdruck sammeln wir uns und sind schließlich abfahrbereit. Die Jäger hingegen sind noch immer mit dem Umpacken beschäftigt. Wir starten den Motor und winken ihnen zu.

Dann wenden wir und fahren zurück zum Liard Highway. Besondere Zwischenstopps haben wir nicht geplant, wenn man von einem Tankstopp in Fort Liard mal absieht.

Wir pflegen in solchen Fällen zu sagen: "Fotostopps nach Belieben."

Auch unser Tagesziel steht noch nicht ganz fest. Wir versuchen stets Plätze zu finden, welche neben einer schönen Lage auch eine gute Sicht auf den nördlichen Sternenhimmel bieten. Natürlich muss man da auch Kompromisse eingehen und ein solcher Kompromiss könnte die Muskwa River Recreation Site sein, ein unbewirtschafteter Platz am Muskwa River, von wo aus Bootexpeditionen auf dem Fluss gestartet werden können.

Ein Stück weiter gibt es den Tetsa River Regional Park Campground, den wir kennen und den wir als Rückfallposition betrachten, falls der andere Platz uns nicht gefällt.



Auf dieser Etappe überqueren wir auch wieder den 60. Breitengrad - südwärts diesmal - und kommen somit nach British Columbia. Damit erreichen wir auch eine andere Zeitzone, die Pazifische Küstenzeit.

Der Liard Highway ist weiterhin geprägt von einzelnen kleinen Herden von Waldbisons. Viele von ihnen sitzen widerkeuend im Gras, als würden sie die letzten kraftvollen Stunden der Herbstsonne genießen wollen.

Bären und Wölfe allerdings machen sich rar, wir sehen leider keine und erreichen schließlich den Abzweig nach Fort Liard.


Es ist sozusagen ein Arbeitsbesuch, denn es geht uns nur ums Tanken. Da wir auch 2016 bei der Tour Yellowknife-Whitehorse hier vorbeigekommen sind, ist hier ein Link zur Etappe auf den Liard Trail dazu.


Dem entsprechend halten wir an der Tankstelle, einer freistehenden großen Tankzisterne mit Zapfpistole und Kreditkartenleser und fahren danach noch kurz zum Fluss für eine kleine Pause. Hier beobachten wir einen vom Fischfang oder der Jagd heimkehrenden Dene-Indianer und fahren alsbald zurück zum Liard Highway.

Auch heute war schon ein Sprühfahrzeug aktiv und die unbefestigte Fahrbahn ist, nun nicht gerade verschlammt, aber mit dem Hang zum Dreckspritzen. Das setzt sich fort bis zur Genze nach British Columbia, wo der Straßenbelag wieder asphaltiert ist.

An der Grenze zwischen beiden Provinzen steht das symbolische Begrüßungsschild in die jeweilige Richtung. Exotischer ist natürlich das Schild der Nordwest-Territorien, die ja noch nicht einmal eine Provinz sind, sondern wie der Name sagt, ein Territorium.

Bei strahlendem Sonnenschein posieren wir am Grenzschild und bestaunen die herbstlichen Wälder.

Beeindruckend sind die Zeichnungen auf den verfärbten Birkenblättern. Neben den Gelb-Ocker-Farben haben sich außerdem auf ihnen merkwürdige Linien gebildet, die ein wenig an indianische Tribals, also Stammeszeichen erinnern.

Wir stellen fest, dass die Herbstfärbung sich voll entfaltet hat. Als wir aus Edmonton gestartet sind, war der Großteil der Laubbäume noch grün. Aber am Lesser Slave Lake folgte ja bereits die erste Frostnacht, was für die Natur ein deutliches Signal ist, auf Herbst "umzuschalten".



Der Alaska Highway ist bekannt für die unzähligen Situationen, bei denen Bären am Straßenrand beobachtet werden können. Wir hoffen natürlich auch wieder auf solche Momente.

Und obwohl wir den Alaska Highway noch gar nicht erreicht haben, begegnen wir alsbald einem Schwarzbären. Wir sind zwar noch auf dem Liard Highway, doch der Abzweig auf den Alaska Highway ist nahe und wir sind auch schon in British Columbia. Man hat das Gefühl, als seien die Bären hier weniger scheu. Aber grundsätzlich kommen die Bären gern an die sonnigen Spots der Straßenränder, da hier einiges an fressbaren Pflanzen zu finden sind.

Vor allem im Frühjahr, so erklärte uns mal ein Park Ranger, bringen sie ihren Stoffwechsel in Schwung, indem sie Unmengen an Klee fressen und der wächst nunmal besonders üppig auf den Randstreifen der Highways.

Am südlichen Ende des Liard Highway biegen wir auf den Alaska Highway in Richtung West.

Auch hier setzen sich die Bärensichtungen fort. Das Verhalten ist sowohl bei Schwarzbären, als auch bei Grizzlies das Gleiche. Dennoch sieht man Grizzlies deutlich seltener, weil ihre Siedlungsdichte geringer ist und ihre Reviere größer sind. Außerdem sind sie in der Vergangenheit stärker gejagt worden, weil die Begegnungen zwischen Menschen und Grizzlies konfliktreicher (und für den Menschen gefährlicher) sein können, als das mit den kleineren Schwarzbären der Fall ist.

Tatsächlich bleibt es für uns bei Beobachtungen von Schwarzbären, Grizzlies hingegen bekommen wir heute nicht zu Gesicht.




Ob es nun daran lag, dass wir nach dem gestrigen Highlight uns einfach dem Schlendrian ergeben haben, oder daran, dass uns dieser Abschnitt des Alaska Highway wohlbekannt ist, aber wir haben bis zu unserem anvisierten Ziel unterwegs praktisch keine Fotos gemacht. Die Landschaft entlang des Highway zwischen Fort Nelson (das östlich des Liard-Abzweiges liegt) und den nördlichen Rockies ist durchaus malerisch, auch bergig, aber im Vergleich mit den schroffen Bergen, die im Westen voraus liegen, noch relativ gediegen und sanft. Dem gewogenen Betrachter, der hier nun Landschaftsbilder vermisst, dem sei dieser Blogbeitrag aus dem Jahre 2016 empfohlen. Dort ist auch ein Video eines streitlustigen Grizzly zu sehen.

Wir erreichen schließlich unser Ziel am Muskwa River. Die Lage des Platzes ist eigentlich nicht schlecht und dass er unbewirtschaftet ist, war uns ja klar.

Das eigentlich Unschöne ist aber, dass unzählige Pickups, meist mit Bootsanhängern wie auf einem riesigen Parkplatz abgestellt sind. Es ist auch Bootsverkehr auf dem Wasser und eine Jägertruppe macht sich gerade lärmend abfahrbereit.

Das hatten wir so nicht erwartet, aber es liegt wohl daran, dass wir inmitten der Jagdsaison sind und auf dem Muskwa River es möglich ist, mit Boot hunderte Kilometer in unwegsame Berge vorzudringen. Für Jagdgesellschaften ist dies natürlich ein perfekter Ausgangspunkt, für uns aber eher ein Grund, weiter zu fahren.


Nachdem wir ein Weilchen abgewägt und ein paar Möglichkeiten abseits der zentralen Parkfläche geprüft haben, verwerfen wir den Platz endgültig und fahren weiter zum Tetsa River.

Dort gibt es reguläre und individuelle Stellplätze mit Picknickbank und Feuerpit und trotz Saisonendes sogar noch Feuerholz in dem dafür vorgesehenen Lagerhäuschen. Einige Plätze haben einen eigenen Blick vom Steilufer über den Tetsa River - so einen Platz wählen wir, aber ansonsten ist man hier von hohen Bäumen umgeben.

Wir machen es uns am Lagerfeuer gemütlich und stellen die Campingstühle an die Kante des Steilufers, aber leider lassen sich keine größeren Tiere in der Flussniederung blicken, vielleicht ist auch das ein Effekt der Jagdsaison.

Nachdem die Dunkelheit angebrochen ist, lassen wir das Feuer  niederbrennen und gehen schlafen. Doch ein Beweisfoto dafür, dass es auch in dieser Nacht Nordlichter gab, können wir vorweisen. Man sieht darauf gut, wie der Wald den Blick auf den Himmel einschränkt.


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