Freitag, 29. September 2017

Von Edmonton durch den Nordwesten - Nass River und die Nisgaa am Lavafeld

R&G

Auch an diesem Morgen ist der Himmel wolkenverhangen. Aber es regnet nicht mehr. Natürlich konnte der Wald noch nicht trocknen. Triefend nass und dampfend begrüßt er uns unter dem grauen Himmel.

Die Ironie des Wortes "nass" offenbart sich beim Blick auf die Karte, denn das Fishcamp befindet sich in der Nähe der Mündung des Meziadin River in den Nass River.

Unweit dieses Zusammenflusses gibt es im Meziadin River ein Wehr und eine Fischtreppe.
Dieses Bauwerk wurde bereits 1910 errichtet und 1966 erneuert, um den Lachsfang an diesem wichtigen Punkt der Lachswanderung zu rationalisieren:

Die Lachse werden am Wehr gestoppt. Meist nach einigen vergeblichen Sprüngen entgegen der Wasserkaskade finden sie den Weg über die Fischtreppe und können dort von den Anglern und Fischern effektiver gefangen werden.

Auch wenn diese Fangmethode und die Errichtung solcher Flaschenhälse für die Lachse mit den Europäern in diese Gegend kam, so sind es heute die hier siedelnden First Nation, die dieses Fishcamp nun betreiben und auch deutlich (anhand von Schildern) ihr exklusives Recht darauf erklären.

Für uns ist es nach dem Frühstück nur eine Fahrt von einigen hundert Metern von unserem Stellplatz im Wald zur Stelle am Fluss, wo sich das Wehr befindet. Die Fangsaison allerdings ist vorüber.

Wir sehen eine obskure Ansammlung von Holzhütten, die verlassen im Wald in der Nähe des Wehres stehen. Sie sind scheinbar als Unterschlupf und Übernachtungsplatz für die Fischer gedacht, aber auch als Putz- und Zwischenlagerplätze für den Fang.

Als wir am Wehr anlangen, treffen wir ein Touristenpärchen an, die mit einem Reisevan hierher gekommen sind und ebenfalls die Anlage besichtigen. Nachdem sie wieder weg sind, bleiben wir allein am rauschenden Meziadin River und beobachten das herabströmende Wasser.

Und tatsächlich sehen wir immer wieder mal einen Nachzügler, der versucht, den Wasserfall hinauf zu springen. Ganz schön fies gegenüber den Lachsen, denken wir.

Sie haben so schon einen harten Weg hinter sich und müssen nun noch rausfinden, dass nur die Fischtreppe an der Seite sie weiter bringt.

So schauen wir eine ganze Weile auf diese Szenerie und einige Male sehen wir kraftvolle aber am Ende vergebliche Sprünge von Lachsen am Wehr.

Wir bekommen einen gehörigen Schreck, als plötzlich eine tiefe Stimme hinter uns erklingt. Ein Angler ist zum Fluss herunter gekommen, aber wegen des rauschenden Flusses haben wir ihn nicht wahrgenommen. Er entschuldigte sich gleich, er habe uns nicht erschrecken wollen, aber er wird hier mit der Angel nochmal sein Glück versuchen.

Es ist ein Weißer und er mockiert sich über das Fishcamp der First Nations. Die Buden verschandeln den Ort und auch das Wehr sei unnötig. Aber die First Nations hätten hier nunmal die Rechte und so könne man nichts machen.

Dann verabschiedet er sich und sucht einen Platz am Wasser, wo er die Angel auswirft. Solange wir ihn im Blick haben, hatte er allerdings kein Glück.

Aber Lachse sehen wir immer wieder, nicht nur bei Sprüngen am Wehr, sondern auch in ruhigen Zonen am Ufer vor der Fischtreppe. Auch eine nordamerikanische Wasseramsel können wir beobachten, wobei sie kleinere Beute als Lachse im Sinn hat.
Lachsen beim Schwimmen zuzuschauen, ist in der Tat eine entspannende Sache, doch wir haben noch eine Tagesetappe vor uns, und so machen wir uns auf den Weg.

Erst heute haben wir die Entscheidung getroffen, den Highway 37 nicht bis zu seinem südlichen Ende am Yellowhead Highway zu fahren, sondern einen Abstecher auf dem Nisga'a Highway nach Südwest zu machen. Dort liegt am Unterlauf des Nass River und am darauf folgenden Pazifikfjord das Stammesgebiet der Nisga'a. Ähnlich wie die Hayda und andere Küstenindianer bildeten auch die Nisga'a bereits vor der europäischen Besiedlung eine sesshafte Hochkultur, lebten vom Fischfang und hatten Siedlungen mit Langhäusern und ausgeprägten Sozialordnungen und kulturellen Riten.

Es liegt aber auch ein Naturphänomen in ihrem Siedlungsgebiet, ein erkaltetes Lavafeld von vielen Quadratkilometern. Auch wenn wir zum jetzigen Zeitpunkt unseren Übernachtungsplatz noch nicht wissen, zeigt der folgende Etappenplan bereits alle wesentlichen Stationen:



Der erste Abschnitt führt uns auf dem Cassiar-Stewart Higway (37) zuerst nach Südosten und obwohl er malerisch ist wie all die Abschnitte zuvor, legen wir keinen Stopp ein.

Der Abzweig in den Nisga'a Highway ist unscheinbar und fast zu übersehen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass dieser Highway eher ein Forstweg ist und da er wohl allerhöchstens 50 km/h erlaubt (eher weniger), wird er uns eine Menge Zeit kosten.

Dennoch bleiben wir bei unserem Plan und biegen ab. Uns begegnet dann auch fast auf der ganzen Strecke kein weiteres Fahrzeug. Erst kurz vor New Aiyansh sehen wir zwei, drei Autos.

Wir sind bemüht, stetig voran zu kommen und machen lediglich einen Stopp an der Brücke über den Kiteen River, was man wohl im Volksmund als Pinkelpause bezeichnen würde.

Im letzten Drittel sehen wir einen Stellers Jay (Diadem-Häher), der mit seinem blauen Gefieder so faszi-nierend wie auffällig ist.

Und als wir für ein paar Fotos stoppen, sehen wir sogar einen Zweiten, der ebenfalls an der felsigen Talflanke herumflattert.

Wir machen jede Menge Fotos und werden am Ende wieder feststellen, das nur einige brauchbare dabei sind.

Wir sehen auch abgestelltes Forstgerät und im letzten Abschnitt vor New Aiyansh hat die Straße sogar einen leidlichen Asphaltbelag.

Wir erreichen New Aiyansh, den Verwaltungssitz der Nisga'a, aber biegen nicht zur Ortsmitte ab, sondern fahren zuerst weiter zum Memorial Lava Bed Provincial Park.

Der Park hat eine Visitor Information, die in einem traditionellen Langhaus untergebracht ist, doch leider ist keiner da - die Tür ist verschlossen. Der dazugehörige Campground ist zwar offen und sogar leidlich belegt, aber seine Lage in einem Wäldchen aus hohen Espen gefällt uns nicht.

So schieben wir die Entscheidung über einen Übernachtungsplatz auf und fahren erstmal raus in die Ebene aus erkaltetem Lavagestein, dem besagten Lava Bed.

Der Himmel beginnt inzwischen aufzureißen und es ist sehr windig. Hier in der offenen Ebene aus erstarrtem Tuffstein, wo nur ein paar mickrige Birken in den Rissen der kalten Lava ums Überleben kämpfen, pfeift dieser Wind ordentlich.



Wir werden auf dem Rückweg hier nochmal stoppen. Denn wir wollen uns das Nisga'a Museum in Laxgalts'ap ansehen. Dabei wollen wir die Landschaft in diesem weitläufigen und sich in Richtung Pazifik immer weiter öffnenden Tal des Nass River aus dem Auto genießen und durch die Bergpanoramen dieser recht guten Asphaltstraße gleiten.

Die Lavafelder enden irgendwann und es wird wieder waldig. Die Hinweistafeln am Wegesrand sind mit indianischen Motiven im Tribal-Stil verziert und markieren verschiedene Sehenswürdigkeiten.

Das Museum befindet sich außerhalb und etwas westlich des Ortes Laxgalts'ap.

 Es ist dennoch leicht zu finden, denn es ist in einem markant gestalteten Gebäude untergebracht.

Die Ausstellung ist als Museum für Kultur und Geschichte des Nisga'a-Volkes konzipiert und auch als Begegnungstätte mit Konferenzraum angelegt.

Der Videoclip rechts gibt einen kleine Einblick in die Bedeutung des Museums für die Nisga'a.

Wir schlendern durch die Ausstellung und staunen über die Darstellungen großer Siedlungen und die künstlerisch hochentwickelten Alltags- und Kultgegenstände.

Die Förderung der kulturellen Rückbesinnung der Ureinwohner durch die Regierung ist auch in Kanada noch nicht so alt, sodass auch jede Menge an geschichtlich bedeutsamen Erinnerungen der indigenen Völker unwiederbringlich verloren gegangen sind.


Nach dem Museumsbesuch fahren wir die gleiche Strecke zurück.

Auf dem Rückweg fällt uns ein Schild mit dem Hinweis auf heiße Quellen auf, die Hlgu Isgwit Hot Springs.

Das interessiert uns natürlich immer und wir halten an, um den kurzen Wanderweg zu den Quellen zu laufen.

Der Weg dorthin führt durch einen urigen Baumbestand mit Riesen des Temperate Rain Forest. Die Äste sind mit Moos überwuchert. Nicht überall sind Holzplanken am Boden und so gilt es, schlammige Wegabschnitte zu meistern.

An der Quelle angelangt sehen wir, dass hier ein Umbau im Gange ist. Das alte und ziemlich verrottete Becken sieht wenig einladend aus und die neuen Becken in Form riesiger Bottiche sind noch nicht fertig. Wir inspizieren das Ganze und wandern zurück zum Auto.







Nach einigen Kilometern sind wir wieder in den Lavafeldern und laufen auch hier ein Stück auf einem angedeuteten Wanderweg entlang.

Diese Landschaft wirkt bizarr, denn die erkalteten Lavaströme sind aus einem dunkelgrauen Tuffstein, der häufig mit einem Moosbelag überzogen ist. Im Gegenlicht der tief stehenden Sonne, die nun durch die aufreißenden Wolken durchbricht, glaubt man, nicht auf dieser Welt zu sein.

Diese Landschaft fasziniert und verleitet uns zu einer Menge Fotos mit oftmals beeindruckend wirkenden Kontrasten, wovon wir einige Kostproben hier im Blog zeigen wollen.


Doch es ist Zeit, weiter zu fahren. Denn trotz fortgeschrittener Stunde haben wir noch weitere Stopps geplant und noch immer keinen Übernachtungsplatz bestimmt.

Daher laufen wir über das schroffe Lavageröll zurück zum Wohnmobil und fahren ein weiteres Stück.

Ein Abzweig einige Kilometer weiter führt nach Gitwinksihlkw, einer weiteren Gemeinde der Nisga'a. Wir wollen nicht bis in den Ort, aber wir wollen uns die Totempfähle ansehen, die auf dem Wege dorthin vor der Brücke über den Nass River stehen.

Es ist ein beliebtes Fotomotiv und wir wollen es auch mal sehen und ablichten.

Zur Krönung platzieren wir das Wohnmobil auf der Brücke zwischen die Totems und lichten uns zum Zwecke der Selbstdarstellung ab (Selfie mit Wohnmobil).

Dann gehts weiter in die Hauptstadt der Nisga'a nach New Aiyansh.

In der Sprache der Nisga'a heißt der Ort nicht New Aiyansh, sondern Gitlaxt'aamiks. Auch er ist nur eine kleine Siedlung von etwas über 800 Einwohnern. So besteht er vornehmlich aus verstreut gelegenen Einfamilienhäusern in Leichtbauweise (also Bungalows).

Dennoch fällt auf, dass die Häuser der Nisga'a recht gepflegt und durchaus wohlhabend wirken. Das sieht in anderen Reservatsorten in Kanada häufig trostloser aus.

Da hier auch der Stammeskonzil der Nisga'a beheimatet ist, finden wir im Ortskern ein Verwaltungsgebäude mit imposanten Totempfählen davor und eine große Versammlungshalle im Stil eines Langhauses, das zwar noch von einer Baustelle auf dem Vorplatz geprägt ist, aber deren Fassade in der Abendsonne mit farbenprächtigen Stammesmotiven leuchtet.

Auch einen Supermarkt gibt es, welcher eindeutig das frequentierteste Gebäude der näheren Umgebung ist.

Nach einer kleinen Schleife durch New Aiyansh fahren wir wieder hinaus auf den Nisga'a Highway und folgen ihm weiter in Richtung Terrace, einer größeren Stadt am Yellowhead Highway. Das ist wieder die Richtung Südost und die Straße ist nun asphaltiert und in ausgezeichnetem Zustand.

Dennoch gilt es, einen Übernachtungsplatz zu finden und weitere Campgrounds in der Nähe sind uns nicht bekannt. Es ist abermals sehr wahrscheinlich geworden, das es heute wieder ein wildes Plätzchen wird.

Doch noch führt der Highway durch das Gebiet des Lava Bed Provincial Parks und daher kommen wir noch immer an szenischen Haltepunkten vorbei.

An einem dieser Punkte halten wir, obwohl die Sonne schon am Horizont zu versinken droht. Aber wann werden wir je wieder die Gelegenheit haben, hier zu stoppen? Es ist ein sehr kurzer Wanderweg zu den Vetter Falls. Erst führt er ein Stück durch ein Lavafeld und dann durch dichten Temperate Rain Forest, ehe er an einem etwas verwunschen wirkenden kleinen Wasserfall endet. Aber die etwas gruselige Stimmung kommt wohl vor allem von der einsetzenden Abenddämmerung im dichten Wald.

Also gehts mit zügigen Schritten durch die schummerige Dämmerung im Wald zurück zum verwaisten Parkplatz, wo nur unser Wohnmobil auf uns wartet.

Wir starten durch und rollen schon wieder weiter auf dem Nisga'a Highway.

Weitere Haltepunkte ignorieren wir nun, doch am Lava Lake halten wir. Dieser Stopp ist nicht nur dem szenischen Ausblick gewidmet, sondern auch der Suche nach einem Stellplatz für die Nacht.

Der Platz wäre durchaus geeignet gewesen, aber leider sind schon andere auf die Idee gekommen und am Wasser sehen wir ein Lagerfeuer und hören Stimmen. Da wollen wir doch noch etwas weiter schauen, auch wenn die Sonne schon hinter den Bergen versunken ist.

Natürlich erwecken Seen immer ein ganz spezielles Interesse, da ein Plätzchen am Wasser besonders schön ist. So halten wir etwas intensiver Ausschau nach Seitenwegen, die zu einem der Seen am Wegesrand führen könnten.

Am Sand Lake haben wir Glück und finden einen solchen Weg. Es ist ein kurzer Waldweg, der recht zugewuchert ist und zu einer kleinen Lichtung direkt am Wasser führt.

Dieser Weg ist von der Sorte, die man nur mit dem Selbstbewusstsein eines Pickup-Fahrers mit Allradantrieb fahren würde. Zwei riesige Pfützen von über 10m Länge und von zuvor unbestimmbarer Tiefe durchfahren wir, bevor wir ans Wasser kommen. Knietief waren sie mindestens, wie wir beim Passieren dieser Senken schätzen konnten und mit jeder Menge Schlamm am Boden. Einem gewöhnlichen PKW wären sie garantiert zum Verhängnis geworden.

Doch nun stehen wir auf der Lichtung am Wasser und sind sehr zufrieden mit diesem romantischen Plätzchen. Da haben wir trotz des anstrengenden Tages, der hinter uns liegt, nach dem Abendbrot noch Lust auf ein Gläschen Rotwein am Lagerfeuer.


Und da der Himmel nahezu wolkenlos geworden ist und das Sternenfirmament freigegeben hat, stellen wir die Kamera für eine Time Lapse auf das Stativ. Da wir zudem einen offenen Blick in Richtung Norden haben, machen wir uns Hoffnungen auf Nordlichter.

Doch blieben in dieser Nacht die Hoffnungen unerfüllt und der Himmel blieb ruhig. Naja, man kann nicht immer alles haben, sagen wir uns und sehen weiteren Chancen entgegen.

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