Sonntag, 18. September 2016

Von Yellowknife nach Whitehorse - Viel Schotter bis Ross River

R&G
In der Nacht - schon gegen Morgen - holen wir Fotoapparat samt Stativ ins Wohnmobil hinein. Nordlichter gab es tatsächlich in der Nacht, auch wenn wir sie nicht selbst gesehen haben. Aber der Fotoapparat hat sie für uns dokumentiert. Leider sind auch diese Bilder mit dem gleichen Fehler einer sogenannten chromatischen Abberation behaftet, einem Effekt, der eigentlich der Objektivgüte zuzuschreiben ist und der sich durch Farbsäume an Bildkonturen vor allem in den Außenbereichen bemerkbar macht. in diesem Fall sind es vor allem rote und grüne Farbsäume.

In den beiden Bildern (rechts) sind diese Farbsäume mit Fotoshop herausgerechnet, wenn auch nicht perfekt. Aber es bleibt die Frage, warum das Fisheye auf einmal diese Macke hat, wo es doch zuvor tadellos funktionierte. Die Antwort sollten wir erst viel später, zuhause, erhalten. Dabei ist die Antwort naheliegend, den bei der früheren Nutzung war das Objektiv an einer Canon EOS 70D genutzt worden und jetzt ist es eine EOS 80D.

Was aber ist nun das Problem? Nach diversen Tests zuhause stellten wir fest, dass bei der EOS 80D die interne Abberationskorrektur aktiv war. Das war sie bei der EOS 70D auch, aber im Gegensatz zu dieser geht die neue Kamera scheinbar anders damit um, wenn kein Korrekturprofil für das Objektiv vorhanden ist - dies ist für das Fisheye von Tokina der Fall. Die EOS 70D hat dann trotz aktivierter Korrektur keine solche vorgenommen. Anders offensichtlich die EOS 80D - sie versucht, trotzdem zu korrigieren, mit fatalem und deutlich schlechterem Resultat. Es wurde eine Abberation, die eigenlich kaum wahrnehmbar war, künstlich verstärkt. Leider kommt die Erkenntnis für diese Bilder zu spät.

Doch nun ist der Morgen erwacht und unsere Nachbarn zur Linken sind schon weg. Nach dem Frühstück machen auch wir uns auf den Weg in Richtung Norden. Wir haben schon seit Watson Lake nicht mehr getankt und und müssen es bis Ross River schaffen. Aus diesem Grunde sind wir ja auch auf der Nahanni Range Road nicht bis Tungsten gefahren. Aber es sieht gut aus und die Reichweite sollte genügen.

Es gibt jedoch auch einige üble Straßenabschnitte auf dieser Wegstrecke, die schon bald - am Finlayson Lake, die kontinentale Wasserscheide zwischen dem Yukon River und dem Liard/Mackenzie Flusssystem überschreitet.












Der Finlayson Lake ist ebenfall von Robert Campbell als erstem Europäer erreicht worden. Eine Infotafel und ein Rastplatz mit Lookout und Schautafeln ist dem gewidmet. Wir verweilen hier ein wenig wegen des Fernblickes und weil wir gerade die Startvorbereitungen eines Wasserflugzeuges am See beobachten.


Wir sehen dem Start des Water Plains zu und mit uns zusammen ein holländisches Ehepaar, welches auch gerade mit einem Camper hier gestoppt hat. Dann studieren wir noch die Schautafeln, bevor wir zum Camper zurückschlendern.

Hier sind inzwischen ein paar Gray Jay - die Grauhäher eingetroffen und vollziehen das altbekannte Spiel. In der Hoffnung etwas abzustauben, schwirren sie um uns herum und landen auf allen möglichen und unmöglichen Stellen am Fahrzeug, so auch auf Seitenspiegel, Vorderfront und sogar auf der Dashcam, die wir gerade mit einem Magnethalter auf der Kühlerhaube platziert haben.













Wir spielen ihr Spiel mit und bieten ihnen Kornflakes an, die wir auf der Kühlerhaube auslegen. Die schlauen Vögel finden es zuerst suspekt, dass wir ihnen so freiwillig etwas hinlegen und halten sich ein Weilchen zurück. Doch dann kommen sie umso kecker herangeflattert und bedienen sich.


Die Gegenleistung für diese Fütterung sind ganz witzige Fotos, auf denen sie die Models sind.













Nach einer kurzweiligen Viertelstunde fahren wir weiter gen Norden. Alsbald haben wir abermals eine Tierbegegnung.

Ein Baumstachler überquert vor uns die Straße und verharrt dann an der Böschung neben dem Fahrbahnrand. Sein Verhalten ist typisch: Langsames davontrippeln kombiniert mit der Suche nach Deckung in Gestrüpp und zwischen Baumstämmen, das haben wir so schon öfter beobachtet.

Dieser hier mustert uns sogar aus sicherer Entfernung ein Weilchen und scheint zu überlegen, was er von uns halten soll, bevor er sich ins Dickicht trollt. Eigentlich wäre es kein Problem, ihm zu Fuß zu folgen, aber das Unterholz ist wiederspenstiger, als es von weitem scheint und im Grunde ist es auch nicht richtig, Wildtieren zu sehr auf die Pelle zu rücken.













Nach einem weiteren Stück Fahrt überqueren wir einen Seitenfluss des Pelly River unmittelbar am Zusammenfluss mit dem Pelly. Hier ist gleich hinter der Brücke ein Turnout und ein Zugang zum Fluss, der sich einigermaßen als Bootslaunch eignet. Hier sind ebenfalls gerade Jäger zugange.

Sie haben gerade Boote an Land geholt und auf die Bootsanhänger verfrachtet. Sie hatten eine etwas andere Jagdstrategie, als die Jäger die wir bisher sahen und die mit Quads in die Tiefen der Wälder vorstießen.

Diese Truppe hier hat sich mit Booten auf dem Flusssystem des Pelly River in die Wildnis vorgearbeitet und war mehrere Tage unterwegs. Die Pickups samt Anhängern waren in dieser Zeit hier am Rande des Turnout geparkt. Sie waren höchst erfolgreich, das konnte man schon an der Ladung sehen. Wir kommen mit ihnen ins Gespräch und erfahren staunend, dass sie unter anderem zwei kapitale Elche erlegt haben, deren Geweihe wir gut auf der Ladefläche sehen können. Sie hatten in der Wildnis ein Camp eingerichtet und haben die Elche mit Locktröten in ihre Nähe gelockt. Sie haben also tatsächlich mit Erfolg die Liebestollheit der brünftigen Elche ausgenutzt.

Das zerlegen solcher kapitaler Tiere dauert natürlich und kostet kolossale Anstrengung. Daher hatten sie auch bald die Aufmerksamkeit eines Wolfrudels gewonnen, welche in der Nacht um ihr Camp schauerlich geheult haben sollen. Nun sind sie mit ihrer Jagdbeute auf dem Heimweg und werden wohl auch zuhause noch eine Menge Arbeit haben, ehe das viele Fleisch gefrierschrankgerecht portioniert ist. Dass aber die Elche kapitale Burschen waren, erkennt man an den riesigen Schaufeln. vor allem das eine Geweih maß weit über zwei Meter (fast drei) und ragte über die Ladekante des Pickup hinaus, obwohl es diagonal drauf lag.














Sobald die Gespanne der Jäger einer nach dem anderen vom Platz rollten, machten wir uns auch auf zur Weiterfahrt auf dem Robert Campbell Highway.

Das nächste Ziel würde dann endlich Ross River sein mit seiner kommunalen Tankstelle der Ross River First Nation. Der Straßenabschnitt bis dahin wurde nochmal recht rau, aber bald kam der Abzeig in den Ort, welcher ewas Abseits des Campbell Highway direkt am Pelly River liegt. Seinen Namen erhielt Ross River vom gleichnamigen Fluss, der hier von Osten kommend in den Pelly River mündet.

Auf dem kurzen Weg bis zum Ort passieren wir noch einige kleine Seen. bevor es in ein Tal hinabgeht und wir die ersten Werbetafeln am Ortseingang sehen. Dominant erhebt sich auf der anderen Seite des Pelly ein Höhenzug aus spärlich bewachsenen und errodiertem Sediment.

Ross River ist im Grunde ein trostlosen Nest. Viele der Ross River Indianer sind arbeitslos und hängen im Ort irgendwo ab. Die kommunale Tankstelle und den Supermarkt gleich daneben kann man nicht verfehlen, zumindest wenn man weiß, wie in solchen Gegenden eine Tankstelle aussieht. Es ist kaum mehr, als ein großer zylindrischer Tank mit angebauten Zapfpistolen. Ein Kassenhäuschen in Form eines Kiosks steht etwas abseits.

Eigentlich gäbe es in Ross River auch gar nicht mehr zu tun, als Tanken und Einkaufen. Aber eine Besonderheit weist der Ort doch noch auf die zugleich eine Art Sehenswürdigkeit ist. Dies hängt mit der Straße nach Ross River zusammen, die nicht einfach nur ein Anschluss an das Straßennetz des Yukon ist. Es ist die Canol Road. "Canol" steht für Canadian Oil und die Canol Road war einst eine Wartungsstraße für eine Pipeline, die weit in den Nordwest-Territorien beginnt. Auch, wenn die Pipeline heute außer Betrieb ist, so existiert die Straße noch und sie führt auf der Ostseite des Pelly noch hunderte Kilometer weit in die Wildnis.

Die Pipeline überquerte den Pelly River mittels einer Hängebrücke, die später zur Fußgängerbrücke umfunktioniert wurde. Die Canol Road jedoch hatte nie eine Brücke und kann im Sommer mit einer Fähre und im Winter über das Eis überquert werden - respektive einer mehrwöchigen Pause im späten Herbst und im Frühjahr.

Zuerst besuchen wir das Ufer des Pelly, um einfach nur Brücke und Fähre zu besichtigen. Doch da die Fähre in Betrieb ist, verlockt es uns dann doch, mit ihr überzusetzen. Also überqueren wir schließlich den Pelly River, um ein Stück der North Canol Road zu testen. Im übrigen ist die Fähre kostenlos und wird vom Staat finanziert. Der Fährmann führt aber eine Statistik in Form eines Fahrtenbuches, wohl um die Nachfrage nach dieser Dienstleistung zu dokumentieren.


Da auch die Canol Road für die Jäger ein Zubringer in die Wildnis ist, kommen in dieser Jahreszeit einige Pickup in beide Richtungen zur Überfahrt. Als wir auf der anderen Seite sind setzen wir uns das Ziel, eine Stunde hierfür zu spendieren - 25 min hin, 10 min Pause und 25 min zurück. Die North Canol Road führt auf diesem Abschnitt mehr oder weniger dicht am Ross River entlang. Sie ist vom Zustand her vergleichbar mit dem Robert Campbell Highway, nur enger. Bei Gegenverkehr muss man gar anhalten und mit Vorsicht aneinander vorbei rangieren.

Auf dem Rückweg müssen wir ein Weilchen auf die Fähre warten und bekommen gleich wieder Gesellschaft zweier Gray Jays, die sich im Geäst einer Espe am Straßenrand herum tummeln.













Nach der Überfahrt zurück zur Westseite des Pelly sind wir schließlich mit Ross River durch und machen uns auf die Fahrt zu unserem Tagesziel. Es ist nicht mehr weit von hier. Erst müssen wir wieder zurück zum Robert Campbell Highway, wo die South Canol Road in Richtung Süden bis nach Johnsons Crossing in der Nähe von Teslin führt. Die South Canol Road im Übrigen wäre auch die letzte Fernstraße im Yukon, die wir noch nicht befahren haben.

Doch auch diesmal erweisen wir dieser Straße nicht die Ehre, sondern fahren weiter auf dem Robert Campbell Highway nach Nordwesten - nicht sehr weit, denn bald schon kommt der Campground am Lapie Canyon, unser Tagesziel.


Der Campground ist absolut leer. Kein einziger Stellplatz ist belegt und es scheint auch keine Bewirtschaftung zu geben. Es gibt eine erste Loop oberhalb der Schlucht aber mit sehr düsteren Stellplätzen unter altem Tannenwald. Weiter hinten, wo sich der Canyon etwas öffnet gibt es eine weitere Loop direkt am Fluss mit etwas lichterem Wald. Da hier absolut niemand ist, wählen wir einen großen Gruppenstellplatz ganz in Wassernähe.

Es ist genau die Stelle, wo der Canyon sich zu einer engen Schlucht verengt und den Fluss in eine Klamm hineinzwingt wo er zudem mit zunehmender Geschwindigkeit in die Tiefe stürzt. Wir erkunden ein wenig die nähere Umgebung und schlendern auch, soweit es geht, am Fluss entlang. Schließlich machen wir es uns aber am Lagerfeuer gemütlich und bereiten die Fototechnik für Nachtaufnahmen vor.

Am Ende erhalten wir doch noch Besuch. Ein Ranger rollt durch die Loops - wohl zur Kontrolle, und
hält an unserem Stellplatz. Wir halten schon das Geld bereit in der Annahme, das er gleich die Platzgegühr einsammeln will, doch der Ranger, ein junger Bursche, begrüßt uns nur und fragt, ob alles in Ordnung sei. Bezahlen müssen wir nichts mehr, sagt er, denn der Platz habe ja keinen Service mehr. Die Reste an Feuerholz können wir natürlich verbrauchen. Dann plaudern wir noch etwas über die Jagd mit ihm in Anbetracht der Eindrücke der letzten Tage und erzählen ihm auch, dass Jagen in Deutschland etwas komplett anderes sei.

Er verabschiedet sich schließlich und fährt zurück nach Ross River, wo er auch lebt. Wir bleiben mutterseelenallein auf dem leeren Campground zurück und bauen auf den Schutz des Lagerfeuers. Da wir das Problem mit dem Fisheye zwar identifiziert, aber nicht gelöst haben, kommt in dieser Nacht das Standardobjektiv drauf. Es kann nur leider einen wesentlich kleineren Himmelsabschnitt einfangen und zudem war bei diesem ersten Nachteinsatz mit diesem Objektiv die Fokusierung auf unendlich nicht ganz sauber.

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