Solange man abends am Lagerfeuer sitzt, manifestiert man seinen Anspruch auf sein Revier. Das führt auch zu der gefühlten Sicherheit, das wilde Tiere sich zurückhalten mögen. Doch sobald man sich in den Camper zurückzieht, gibt man sein Revier frei, oder?
Solch ein Gedanke beschäftigt einen schon, wenn man mitten in der Nacht nach draußen gehen will, um zum Beispiel den Fotoapparat reinzuholen, nachdem dieser sein Werk vollbracht und eine hoffentlich beeindruckende Timelapse-Serie im Kasten hat. Dann stellt man sich die Frage, in wessen Revier man jetzt wohl vordringt, wenn man in nächtlicher Dunkelheit nach draußen geht. Es wäre also nicht hasenfüßig, sondern ein Gebot der Vernunft, wenn man die Gefahr eines solchen unbedachten Revierkonfliktes vermeidet. Aber wie nur?
Es gibt keine Ratgeber für diese Situation, aber es sollte wohl die Regel gelten: Mach dich bemerkbar und gib dem anderen (ob Fuchs oder Bär) Zeit, sich zurückzuziehen. Und damit man selbst aus dieser Taktik eine Erkenntnis gewinnt, sollte man mit einer Lampe (in unserem Fall die Stirnlampe) nach dem Öffnen der Campertür das Sichtfeld abscannen. Auch wenn man eigentlich die Sache schnell hinter sich bringen will, sollte man die Prozedur mit jeder weiteren Stufe, die man hinabsteigt, wiederholen. Dann erledigt man sein Vorhaben zügig aber nicht hastig und kehrt wieder ins Wohnmobil zurück.So geschieht es dann auch in dieser Nacht, wenn auch mit einem etwas mulmigeren Gefühl, da dieser Campground absolut menschenleer und im tiefsten Wald gelegen ist.
Am morgen dann begrüßt der Tag uns mit knackigem Frost. Im Eimer, der halbvoll mit Wasser draußen geblieben ist, hat sich eine zentimeterdicke Eisschicht gebildet. Und trotz voller Gasflaschen gibt es ein Problem mit der Heizung. Diese benötigt nämlich auch Strom für die Lüfter, aber die Batterien der Wohneinheit sind so gut wie leer. Die kurzen Etappen reichten nicht, um sie ausreichend nachzuladen und nun schwächeln sie. Mit laufendem Moter funktioniert aber alles und so lassen wir ihn - nicht sehr umweltfreundlich - schon mal ein Weilchen laufen. Nach dem Frühstück starten wir dann zu einer weiteren recht kurzen Etappe.
Diese führt und im weiteren Verlauf des Robert Campbell Highway nach Faro. Die kleine Siedlung liegt ebenfalls etwas abseits des Highway und verdankt ihre Existenz einer inzwischen Stillgelegten Zink-Blei-Mine. Das Unternehmen hatte seine Blütezeit in den Siebzigern und erbrachte zeitweise ein Drittel der Wirtschaftsleistung des gesamten Yukon. Dementsprechend begrüßt Faro alle Neuankömmlinge mit einem gigantischen Tagebau-Kipper als Wahrzeichen am Ortseingang.
Unsere Pläne sehen vor, im Ort die Post aufzusuchen, sich dort auch ein wenig umzuschauen und anschließend mehrere Aussichtspunkte an der Minenstraße oberhalb des Ortes anzusteuern. Den Abschluss sollte eine kleine Wanderung auf einem Lehrpfad zu den Van-Gorder-Falls sein.
Also steuern wir erstmal den Ortskern an, der etwas verschlafen wirkt. Trotz der geschlossenen Mine erkennt man einen deutlich größeren Wohlstand im Vergleich zu Ross River. Die Einwohnerschaft ist auch mehrheitlich europäischer Herkunft.
Die Post steht gleich neben der Stadtverwaltung. Hier sind wir schnell fertig. Am Visitor Center haben wir weniger Glück. Es hat vorrübergehend geschlossen, weil irgendwelche Arbeit durchgeführt werden.
Der Platz ist vor allem durch diverse Schautafeln zum Rundblick und zu Fakten über die Region interessant. Was aber den Rundblick anbelangt, da geht noch mehr. Wir fahren also zum nächsten, höher gelegenen Viewpoint.
Dieser View-Point hat eigenlich einen Themenbezug. Er ist der Beobachtung von Dallschafen gewidmet, die am gegenüber liegenden Berghang mit etwas Glück beim Mineralienlecken beobachtet werden können. Wir sehen allerdings keine. Dafür aber haben wir eine einzigartigen Fernblick auf das Tintina Valley, den Pelly River und die blau schimmernden Bergketten in der Ferne - und alles unter einem dramatisch wirkenden Wolkendach.
Nun wollen wir zu unserer letzten Unternehmung in Faro schreiten und das ist eine Wanderung zum Van Gorder Wasserfall. Der Lehrpfad beginnt irgendwo im Ort und wir müssen ersmal die Karte studieren. Wie es scheint, müssen wir an das Ende einer Straße fahren, wo sich auch die kommunale Müllkippe, Recycling Center genannt, befindet. Wir finden aber den Anfang des Weges ohne Probleme und beginnen unsere Wanderung.
Der Van Gorder Wasserfall ist kein Gigant oder ein Naturwunder der Superlative, aber es führt ein ausgebauter Wanderweg hin und das ist selten im Yukon. Und es ist wohltuend, mal wieder auf diese Art zu Wandern, ohne an Flussufern entlang, auf Schotterstraßen oder auch durch wegelose Taiga zu stapfen.
Doch zurück von der Wanderung rückt der Schrottplatz nochmal in den Fokus unseres Interesses. Denn eines der begehrtesten Souvenirs aus dem Yukon sind alte KFZ-Kennzeichen. Man kann sie in Souvenirläden in Whitehorse oder Dawson City kaufen. Man kann aber auch andere Gelegenheit zum Abstauben nutzen und dies ist so eine.
Wir beobachten also das Geschehen in Richtung des Ortes und da wir meinen, die Luft sei rein, inspizieren wir die Autowracks auf dem Platz. Am Ende haben wir zu unserem Kennzeichen aus den Nordwest-Territorien auch noch welche vom Yukon dazubesorgt. Es gibt natürlich auch andere witzige Gegenstände auf dem Müllplatz, doch nicht alles ist geeignet, im Fluggepäck mitgenommen zu werden.
Nun ist unsere Mission in Faro beendet und wir fahren zurück auf den Robert Campbell Highway. Ab Faro hat er wieder vermehrt asphaltierte Streckenabschnitte. Unser Tagesziel ist der Little Salmon Lake, an dem es mehrere Campgrounds gibt.
Am Little Salmon Lake liegen gleich zwei Campgrounds. Wir erreichen zuerst den am Drury Creek, der sich am östlichen Ende befindet. Er ist uns sehr genehm und wir finden einen Platz direkt am Wasser und in etwas separater Lage. Ganz leer ist er nicht, aber unmittelbare Nachbarn haben wir nicht. Es steht auch ein Pickup mit Bootsanhänger in der Nähe eines Bootslaunch am Wasser. Wahrscheinlich sind auch hier Jäger mit einem Boot rausgefahren.
Es ist ein freundlicher Nachmittag und ein malerischer See, sodass wir es uns im Freien gemütlich machen und auch mit der Kamera in der Gegend herumsteifen. Das Herbstlaub erscheint im Sonnenlicht wiedermal wie Gold.
Hinter unserem Stellplatz befindet sich gleich die Mündung des Drury Creek in den See. Auch hier haben die Wellen des Sees im Kampf mit dem einströmenden Wasser des Baches eine Sandbank entstehen lassen, die dem Drury Creek eine kleine Lagune beschert.
Da ein kühles Lüftchen frisch vom See herüberweht, kann man ordentlich Holz hacken, ohne ins Schwitzen zu kommen. Die untergehende Sonne und die Abendstimmung am See sind malerisch Am Feuer bei einem Bierchen nach dem Abendbrot vergeht die Zeit schnell und die Dämmerung legt sich über den See. Wir schauen der versinkenden Sonne hinterher und werden mit zunehmender Dunkelheit sensibler für die Geräusche des Waldes. Von der gegenüberliegenden Seite des Sees dringt ein langanhaltendes Heulen herüber. Es wiederholt sich mehrfach und wir sind uns am Ende ziemlich Sicher, dass es Wölfe sind.
Vor Wölfen an der anderen Seite des Sees sind wir natürlich absolut sicher. Aber wer weiß, was direkt hinter uns im Dickicht so alles herum streunt. Natürlich stellen wir auch wieder die Kamera für eine Timelapse-Serie auf und beobachten den Nachthimmel unmittelbar vom Ufer aus. Leider ist unsere Hauptblickrichtung nach Süden, über den See gerichtet. Allerdings ist der Blick in Richtung Ost und West entlang des Ufers ebenfalls recht offen. Das genügt in diesen hohen Breiten, den bei entsprechender Intensität spannt die Aurora einen Bogen von Ost nach West über das ganze Firmament.
Nur wenn sie sehr schwach ist, bildet sich der Bogen entsprechend tiefer und weiter nördlich aus - zumindest südlicher vom Polarkreis. Doch heute abend scheinen die Nordlichter stark genug zu sein für großes Kino. Sie beginnen schwach im Osten, wohin wir auch die Kamera ausgerichtet haben und werden zunehmend stärker.
Später überspannen sie tatsächlich den ganzen Himmel und wir richten vor dem Schlafengehen das Objektiv nach Westen aus, mit Blick auf das Wohnmobil, welches vom Vollmond nun intensiv angeleuchtet wird. Damit ist auch dieser Tag zuende.
Mehr Fotos dieser Reise in den Google+ Alben:
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