Vom Simpson Lake starten wir beizeiten und fahren auf dem Robert Campbell Highway weiter in Richtung Norden. Der Highway hat nun die uns wohlbekannte Beschaffenheit aus zerfahrenem geschüttetem Material, mal besser, mal schlechter im Zustand.
Doch wir folgen dem Highway nicht weit, genau genommen bis zum Abzweig nach Tungsten. Dieser Ort, der als solcher gar nicht erkennbar ist - man sieht nur ein Haus zwischen den Bäumen - heißt Tuchitua und die Straße, die hier nach Osten abzweigt, nennt sich Nahanni Range Road. Im Grunde ist sie eine Privatstraße, die von einem Minenunternehmen angelegt wurde und instand gehalten wird.
Dieses Minenunternehmen unterhielt seinerzeit im Ort Tungsten, der bereits in den Nordwest-Territorien im Nahanni Range gelegen ist, eine Wolframmine, ist aber aktuell hier wegen der niedrigen Weltmarktpreise für Wolfram gar nicht aktiv. Somit ist dies zur Zeit eine Straße ins Nichts - in ein 200 Kilometer entferntes Nichts namens Cantung oder einfach Tungsten, eine Geisterstadt im Nananni Range. Der Abzweig selber, der einen verbreiterten Turnout mit Trockenklos und Infotafel hat, wird auch Miners Junction genannt.
Ob man nun die Nahanni Range Road wirklich befahren will oder nicht, hier muss man einfach halten, die Infotafel studieren und den Fernblick in Richtung Norden genießen. Wir biegen allerdings wie geplant, in diese extrem entlegene Wildnisstraße ein und fahren ostwärts.
Die Beschaffenheit der Nahanni Range Road ist zunächst nicht anders, als die des Robert Campbell Highway - es ist ein Belag aus einem verdichteten Schotter-Podsol-Gemisch, welches leidlich glattgezogen ist. Nur etwas schmaler, als der Highway ist diese Straße und es gibt keine wirklichen Straßenränder. Das heißt, dass die Böschung am Fahrbahnrand direkt in Wald übergeht und das hat Konsequenzen auch für den Fernblick während der Fahrt, der einfach viel eingeschränkter ist. Aber das bedeutet nicht, dass es überhaupt keine Fernaussichten gibt. Auf Kuppen oder in bergigen Kurven gibt es immer wieder auch bezaubernde Fernblicke.
Der erste markante Punkt auf dieser Straße ist die Brücke über den Frances River. Es ist eine einspurige, holzbeplankte Stahlgitterkonstuktion, über die man dröhnend hinüberpoltert. Auf einigen Kilometern sehen wir Straßenarbeiter, die mit Spezialfahrzeugen mit überdimensionalen Scherbalken das Unterholz wegschneiden, welches in den Fahrweg hinein wuchert.
Größere Tiere sehen wir nicht, aber nach einigen Kilometern läuft uns ein Baumstachler über den Weg. Der Porcupine, eine Art Stachelschwein, ist nach dem Biber der zweitgrößte Nager in Nordamerika. Er ist nicht allzu schnell am Boden, aber seine Schutzstrategie ist weniger die Flucht als sein Stachelkleid. Dennoch versucht er bei Gefahr, zuerst Deckung im Unterholz zu suchen, was das Fotografieren erschwert.
Die Straße führt durch ein engeres Tal. Nachdem wir einen kurzen Stopp an einem kleinen See am Wegesrand eingelegt haben, fahren wir weiter. Bald weiten sich die Berge und die Straße biegt in ein breites Tal nach Norden. Hier fließt der Hyland River, dem die Straße nun stromaufwärts folgt.
Die meisten Bäche, die in den Hyland River münden, überquert die Straße mittels in den Bachlauf eingelassener Röhren.
Über den Conglomerate Creek gibt es aber eine richtige Brücke.
Wir sind nun schon 80 Kilometer auf der Nahanni Range Road (auch Cantung Road genannt) unterwegs. Wir haben ein Tagesziel und das ist der Nahanni Range Road Governmental Campground, der schon bald erreicht sein sollte. Der Campground ist für uns aber auch ein Eintscheidungspunkt in der Frage: Fahren wir noch weiter in Richtung Tungsten, oder kehren wir dann um. Es wäre ein Spiel mit dem Risiko, denn der Kraftstoff bis Ross River am Robert Campbell Highway ist knapp bemessen. Wir werden das erstmal überschlafen und biegen erstmal zu einem wider Erwarten merkwürdigen Campground ein.
Merkwürdig ist er vor allem hinsichtlich seiner Ausstattung. Er hat nämlich keine. Und er hat nur drei Stellplätze mit direktem Zugang zum Kiesbett des Hyland River - eine durchaus schöne Lage also.
Auf einem der Stellplätze ist ein Camp eingerichtet. Hier steht ein beheizbares Zelt, ein verdreckter Dodge mit einem Kanu auf dem Dach und ein großer Anhänger mit Tandemachse, der vollbepackt mit Kanistern ist und eine Rampe zum Aufladen von Quads hat. Das ist ein Jägercamp! Aber es ist keiner zuhause. So stellen wir uns auf den freien Platz rechts davon und spazieren erstmal zum Fluss und ein wenig am Ufer entlang. Am Waldrand entdecken wir dann auch einen selbstgebauten Donnerbalken und es ist tatsächlich der richtige Ausdruck für diese Konstruktion. Zwischen zwei Bäumen sind zwei Balken angebracht - einer vorn und etwas tiefer, zum drauf sitzen und einer hinten und etwas höher um nicht hinten über zu kippen. Darunter eine kleine Grube für die Fäkalien.
Auf einmal hören wir Motorgeräusche, die sich schnell nähern. Es sind zwei Quads mit Männern, die tatsächlich wie Jäger anmuten. Wahrscheinlich haben sie unsere Ankunft mitbekommen und wollten in ihrem Camp nach dem Rechten sehen. Nachdem sie eine Runde über den Platz und das Kiesbett des Flusses gedreht und uns zur Kenntnis genommen haben, fahren sie wieder davon. Wir aber machen uns auf zu einem Spaziergang entlang der Straße.
Wir haben nämlich am Ufer flußaufwärts mit dem Fernglas eine Picknikbank entdeckt und wollen ergründen, ob es nicht doch noch Alternativen zu unserem Stellplatz gibt.
Und tatsächlich, gerade mal hundert Meter weiter geht ein weiterer Weg zum Fluss und hier steht das offizielle Schild: "Nahanni Range Road Campground". Wir inspizieren ihn zu Fuß. Dieser Campground hat Stellplätze in größerer Zahl, auch einige Pull-Through Plätze für Trailer-Gespanne. Sind sind alle mit Feuerplätzen und Picknikbänken ausgestattet und es gibt Trockentoiletten, allerdings in schlechtem Zustand. Der Platz ist eindeutig nicht bewirtschaftet und einige der Stellplätze sind recht zugewuchert. Dennoch ist er um vieles besser als unser jetziger Platz.
Aber auch hier haben Jäger ihr Lager eingerichtet und wir finden gleich neue Freunde, zwei Hunde die zum Jagdlager gehören. Sie begleiten uns auf unserem Spaziergang über den Platz und folgen uns sogar als wir zurücklaufen, um unseren Camper hierher zu fahren. Wir haben uns einen tollen Platz - unserer Meinung den Besten hier - unmittelbar am Steilufer des Hyland River ausgewählt und überführen unser Wohnmobil dorthin.
Es gibt auf dem Campground auch einen Shelder. Er hat die typische Bauform eines Campground-Shelders mit offenen Wänden und einem Kanonenofen in der Mitte. Doch ein älterer Jäger hat diesen Shelder zu einem wind- und wetterfesten Quartier umfunktioniert, indem er alle offenen Laibungen mit Folie zugetackert hat und innen seine Utensilien nebst Campingbett aufgestellt hat. Mit ihm kommen wir ins Gespräch.
Er hat auch bei der Jagdgruppe die gerade unterwegs ist, mitgeholfen, eine erlegte Mountain Goat zu zerlegen und passt gerade ein wenig auf deren Camp auf. Das macht Sinn, denn das frische Fleisch hängt wie Wäsche an einer Leine und wäre für einen Bären durchaus zugänglich. Wir fragen, wie akut diese Gefahr denn ist. Er sagt, sie wäre sehr gering, solange hier auch Menschen im Camp sind, aber im Falle des Falles würde er Warnschüsse abgeben. Was wäre aber, wenn das nicht hilft, fragen wir. Dann würde er ihn auch erschießen. Das sei gerechtfertigt, denn der Bär wäre ja dann als renitent und gefährlich anzusehen.
Wir streunen noch ein wenig hinter dem Campground am Fluss entlang und machen dann unser abendlicher Lagerfeuer an. Doch leider können wir den Abend nicht so draußen genießen, wie wir es gern wollten, denn es beginnt, zu regnen. Wir können zwar an der Rückseite das Vordach rausfahren, aber es ist nicht dasselbe, wie direkt am Lagerfeuer zu sitzen und so ziehen wir uns in den Camper zur Nacht zurück.
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